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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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    »Ich weiß«, sagte ich tonlos. Das Brennen in meinem Hals ballte sich zu einem Schluchzen zusammen. Rasch fügte ich deshalb ein »Ich bin schon unterwegs« hinzu und legte auf, ehe ich zu heulen anfing. Tränen rannen über meine Wangen, während ich in Hose, Pullover und Schuhe schlüpfte. Dann trat ich in den Flur hinaus, nahm meine Jacke und meinen Schlüssel vom Haken und wollte gerade loshasten, als ich hinter mir die Stimme meines Vaters hörte.
    »Was ist los, Flora? Warum weinst du?«, fragte er.
    Ich fuhr herum. »Es ist was passiert. Mit Marian«, erklärte ich und rieb mit dem Arm über meine Nase, um mir den Rotz abzuwischen. »Aber gerade geht es vor allem um die Zwillinge. Sie sind vielleicht in Gefahr.«
    »Ich dachte, ihr bewacht sie in Schichten«, sagte mein Vater. Erst jetzt bemerkte ich, dass er vollständig angezogen war. Zudem strich ein Schatten um seine Beine, der ein Löwe hätte sein können, wenn da nicht das flackernde Menschengesicht inmitten der Mähne und der Skorpionschwanz gewesen wären. Der Mantikor lachte leise.
    Ich runzelte die Stirn. »Du weißt davon, dass wir sie vor den Schattenreitern des Kanzlers beschützen müssen?«
    Mein Vater zuckte mit den Achseln. »Erst seit ein paar Minuten.«
    »Ihr solltet besser keine Zeit verlieren«, sagte der Mantikor.
    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    Doch mein Vater schnappte sich schon den Autoschlüssel. »Nachher«, beschied er mich. »Lass uns erst nach deinen Freunden schauen.«
    Zwei Minuten später saßen wir in unserem Kombi und heizten die Westfalenstraße entlang. Mein Vater fuhr viel schneller als erlaubt. So kannte ich ihn überhaupt nicht. Zwar waren seine Bewegungen fahrig wie eh und je und seine Augen lagen in tiefen Schatten, doch in seinem Blick blitzte Entschlossenheit auf, als er das Gaspedal noch weiter durchdrückte und über die nächste Kreuzung rauschte. In halsbrecherischem Tempo lenkte er uns durch die um diese Tageszeit noch fast leeren Straßen Essens, bis wir endlich den Stadtwaldplatz passierten und kurz darauf Wiebkes Haus erreichten.
    Schon von Weitem hörten wir die Schreie der Schattenpferde.
    Mein Vater schlitterte in eine Parklücke, wir sahen gerade noch, wie mächtige Schwingen durch das Mauerwerk des Reihenhauses glitten. Wir ließen unsere Körper im Auto zurück und schwebten hinterher. Mit dem Kopf voran tauchte ich durch Putz und Backstein in die großzügig geschnittene Küche. Dieses Mal waren es insgesamt vier Schattenreiter und allesamt hatten sie bläulich leuchtende Gesichter, die sie befähigten, auch Schlafende anzugreifen. Der Kanzler wollte also tatsächlich Rache nehmen, indem er meinen Freunden etwas antat! Wenn ich schon nicht greifbar war, weil ich mich im Nichts oder im Schutzbereich meines Vaters aufhielt, dann wollte er wenigstens jemandem Angst machen, der mir nahestand. Dabei hatte er die Rechnung allerdings ohne mich gemacht.
    Die Schattenpferde waren viel zu groß für den Raum, in den sie sich drängten. Ihre Flügel bohrten sich durch Schränke und Wände. Eines der Tiere steckte zur Hälfte in Backofen und Kühlschrank. Doch ihre Reiter hatten bereits die züngelnden Peitschen hervorgeholt. Aus ihren Raubvogelzügen sprach die pure Mordlust.
    »Schwärmen wir aus, Männer«, krächzte einer von ihnen. Anscheinend hatten sie uns noch nicht bemerkt, die Überraschung war auf unserer Seite. Wie auf ein geheimes Zeichen hin stürzten mein Vater und ich los. Mit einem gezielten Schlag gegen den Hinterkopf beförderte ich den ersten Reiter in die Bewusstlosigkeit, während mein Vater tapfer mit dem zweiten rang. Zwar hatte er nie eine Ausbildung beim Grauen Bund absolviert, doch seine Kampfkünste waren in Anbetracht dieser Tatsache gar nicht so schlecht. Mit einem Hechtsprung war er hinter seinem Feind im Sattel gelandet und klammerte sich nun mit aller Kraft an den Hals der Reiters, der wild mit seiner Peitsche um sich schlug, ohne meinen Vater auch nur ansatzweise damit erwischen zu können. Rasch gab ich dem Pferd einen Klaps, der es steigen und davonfliegen ließ, dann half ich meinem Vater.
    Unser Angriff blieb von den übrigen beiden Schattenreitern nicht unbemerkt. Doch statt ihrem Mitstreiter beizustehen und sich gegen uns zur Wehr zu setzen, verließen sie die Küche auf der Suche nach Wiebke und Linus. Ich wirbelte herum. Blöde Kacke! Da musste ich schnellstens hinterher. Bloß hatte sich gerade eine Peitsche um meinen Knöchel gewunden und

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