Nacht aus Rauch und Nebel
gaben unter meinem Körper nach, ich sackte in mich zusammen. Eine schlanke Hand griff nach meiner Schulter und stützte mich. Mein Kopf fiel gegen den Oberarm der Dame. Deshalb konnte das Nichts ihr nichts anhaben! Weil sie und es aus demselben Experiment hervorgegangen waren. Sacht schob sie mich zurück auf meine Füße. »Gibt …«, stammelte ich heiser. »Warum bewegt es sich wieder? Können wir irgendetwas tun, um es aufzuhalten?«
Die Dame wiegte den Kopf. »Das weiß ich nicht genau«, gestand sie. »Dafür müssten wir den vollständigen Text der Prophezeiung kennen. Wollen wir hoffen, dass noch ein Funken Verstand in Desiderius’ Schädel übrig geblieben ist und er uns weiterhelfen kann.«
Ich runzelte die Stirn. »Auf dem Ball, bei dem mein Vater mich seinen Untertanen vorgestellt hat, haben Sie die Weissagung als Humbug abgetan«, warf ich ein.
Sie seufzte. »Weil ich mit meinem Erzfeind darüber sprach. Natürlich konnte ich da nicht sagen, was ich wirklich denke. Davon abgesehen, war ich mir lange nicht sicher, ob es überhaupt stimmt, was er behauptet, dass du den Weißen Löwen spüren kannst. So als würde er dich rufen. Doch mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es so ist. Ich habe auf dem Atelierfest beobachtet, wie du auf das Nichts reagiert hast. Schließlich sind das Nichts und der Stein aus dem gleichen Energiefluss entstanden und du fühlst es, ob nun das eine oder das andere erschüttert wird.«
»Wieso eigentlich?«, fragte ich. »Was habe ich mit alledem zu tun?«
Die Dame senkte für einen Augenblick die Lider und strich sich das Haar aus der Stirn. Dann sah sie mir fest in die Augen. »Das … ist eine lange Geschichte und auch ich kann nur Vermutungen darüber anstellen, solange wir die vollständige Prophezeiung nicht kennen. Aber du kannst beides spüren, nicht wahr? Du weißt noch immer, wo sich der Weiße Löwe befindet.«
Ich erwiderte ihren Blick. Was sollte das heißen, eine lange Geschichte? Wer war die Dame? Konnte ich ihr trauen? »Eines verstehe ich noch immer nicht: Wenn wir wirklich das Gleiche wollen, warum haben Sie mich dann verfolgt und sind sogar in mein Zimmer eingebrochen? Sie hätten doch schon früher mit mir sprechen können. Warum ausgerechnet jetzt und hier?«
»Ich habe nach Hinweisen auf die Prophezeiung und den Weißen Löwen gesucht. Indem ich dich beobachtete, wollte ich herausfinden, wie viel du inzwischen weißt und ob ich dir trauen kann. Ich wusste schließlich nicht, auf wessen Seite du stehst. Du hättest genauso gut mit dem Kanzler gemeinsame Sache machen können. Doch nun hast du den Gelehrten gefunden.«
»Ja«, sagte ich. »Und?«
Die Dame zuckte mit den Achseln. »Ich vertraue dir jetzt und ich möchte dich um deine Hilfe bitten«, sagte sie. »Nimm dir Zeit, um in Ruhe darüber nachzudenken. Aber vergiss nicht: Gemeinsam können wir das Nichts vielleicht aufhalt–«
In diesem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Heulen. Es drang durch die Poren meiner Haut und erfüllte meinen Kopf binnen Sekunden. Jeder Gedanke wurde unmöglich.
»Was ist das?«, brüllte ich.
»Euer Schiff!«, stieß die Dame hervor.
»Die Nebelkönigin?«, fragte ich überflüssigerweise.
»Irgendetwas ist nicht in Ordnung.« Sie griff nach meinem Arm und zerrte mich mit sich. »Wir müssen sofort zurück. Ich helfe euch. Wenn ich mich innerhalb des Nichts aufhalte, habe ich Kräfte, die weit über das Normale hinausgehen«, erklärte die Dame, zog mich auf ihren schlanken Rücken und rannte los.
Sie trug mich so mühelos, wie sie Marian von ihrer Brust geschleudert hatte. Als wögen mein Anzug und ich nicht das Geringste, stürzte sie durch die nebligen Fluten des Nichts, die an uns vorbeiwirbelten.
Eine ganze Weile war um uns herum nichts anderes als die wogenden Schwaden. Dann glommen die Lichter der Nebelkönigin vor uns auf. Schon von Weitem erkannte ich, dass etwas nicht stimmte. Das Schiff hatte Schlagseite, schmale Rauchsäulen stiegen vom Bug in die Höhe, wo das Nichts sie verschlang. Das schaurigste Bild jedoch boten die ausgemergelten Gestalten, die um den Rumpf der Nebelkönigin herumtanzten und mit ihren Geisterfingern nach der unzerstörbaren Außenhaut griffen. Aus einem der eiförmigen Materientanks lief Dunkle Energie aus, die als schwarze Tropfen in das Nichts perlte und dort zu kleinen Explosionen führte. Funkenregen prasselte nur wenige Meter vor uns durch das Nichts.
Die Dame wich aus, wir steuerten nun direkt auf die Schleuse
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