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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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züngelte nun mein Bein hinauf, um sich um meine Handgelenke zu schlingen.
    Aus dem Nebenraum hörte ich Wiebke aufschreien. Linus brüllte etwas Unverständliches. Durch die Glastür der Küche sah ich, wie Wiebkes Mutter im Nachthemd in den Flur tapste. »Was ist denn los?«, rief sie verschlafen.
    »Bring dich in Sicherheit, Britta!«, kreischte ich, doch natürlich bemerkte sie es überhaupt nicht. Ich war schließlich nur ein Schatten.
    Der Reiter wickelte das Ende der Peitsche um seinen Unterarm und zog mich immer weiter zu sich heran, bis unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Die Lippen meines Feindes flackerten, während seine Nase witternd über meine Haut glitt.
    »Flora!«, zischte er. Seine Brauen schoben sich zusammen. Für einen Sekundenbruchteil erkannte ich schwarze Adern, die seine Augenlider durchzogen, und … schlierenhafte Züge, die seine eigenen zu überlagern schienen. Dann war er wieder der Alte. »Unser Herr wartet auf dich! Er wartet!«, wisperte er. Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem Lächeln. »Und ich werde derjenige sein, der dich zu ihm bringt.«
    Die Peitsche um meinen Körper ruckte, als er sie fester zog, und schnitt mir in die Arme. Doch ich zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern sah ihm direkt in die Augen und spuckte ihm ins Gesicht. Für einen Moment erstarb sein Lächeln und wieder trat dieses Andere in seinen Blick, etwas Unkontrolliertes, Wildes. War das der Wahnsinn, den das Nichts den Schattenreitern einflößte? Schon meinte ich, Schaum vor den flackernden Lippen zu sehen. Dann spitze Zähne, die unvermittelt darunter hervorbrachen …
    … als ein Knirschen ertönte und der Kopf des Reiters plötzlich zur Seite wegkippte. Die Peitsche zog sich von mir zurück. Verwundert bemerkte ich meinen Vater, der sich mit seinem gesamten Gewicht auf den Nacken des Reiters geworfen hatte. Die Augen des Wesens verdrehten sich nach innen, dann zerbröselte die Gestalt in Windeseile. Übrig blieb nur eine Handvoll Ascheflocken auf dem Küchenfußboden.
    Sofort rannten wir ins Nebenzimmer, in dem sich Wiebke schluchzend über Linus beugte. Die Zwillinge hatten sich auf seinem Hochbett verschanzt, während ihre Mutter mitten im Raum stand und die beiden anschrie, was um Himmels willen denn passiert sei.
    Auch die beiden Schattenreiter waren noch im Raum, doch aus irgendeinem Grund unternahmen sie keinen weiteren Versuch, meine Freunde zu töten. Stattdessen troff auch von ihren Lippen Geifer.
    Ohne zu überlegen, stürzten mein Vater und ich uns auf die Bestien und bedeckten sie mit einem Hagel aus Schlägen und Tritten, wobei wir sie immer weiter von den Zwillingen und ihrer Mutter wegtrieben, bis die Hinterbeine der Schattenpferde schließlich durch die Wände brachen und sie ihre gewaltigen Schwingen entfalteten.
    »Flora!«, rief Wiebke in diesem Moment und deutete auf die blasser werdenden Schattenreiter. »Sie muss hier sein.« Erleichterung begann sich auf ihrem Gesicht abzuzeichnen.
    Britta, die weder mich noch die Pferde sehen konnte, rang die Hände, auf ihrer Stirn lag eine Sorgenfalte. »Wovon sprichst du?«, rief sie. »Und wieso blutet dein Bruder?«
    Mein Vater und ich sprangen ein letztes Mal auf die Schergen des Kanzlers zu, die daraufhin ein kreischendes Wiehern ausstießen und endlich verschwanden. Dann wirbelten wir herum. Was war mit Linus? Mit einem Satz war ich bei ihm. Meine Augen weiteten sich, denn es stimmte, er blutete. Auf seinem Oberarm zeichneten sich dunkelrot die Zahnreihen eines Schattenreiters ab.
    Doch Linus zuckte mit den Achseln, als seine Mutter ihm ein Pflaster anbot. »Nur ein Kratzer«, sagte er und blickte zum Fenster, wo er anscheinend meinen Schatten vermutete. »Ist ja zum Glück alles noch mal gut gegangen.«
    »Wovon sprichst du?«, fragte seine Mutter misstrauisch und funkelte im nächsten Augenblick ihre Tochter an. »Warst du das etwa?«
    »N-nein«, stammelte Wiebke. »Ich bin nur aufgewacht, weil … weil Linus einen Albtraum hatte. Vermutlich hat er selbst …«
    Der weiteren Unterhaltung schenkte ich keine Beachtung mehr. Stattdessen flog ich, so schnell der Wind mich trug, um das Haus herum und in den Park auf der anderen Straßenseite, weil mir schon wieder Tränen in die Augen traten.
    Marians Körper lag noch immer ausgestreckt auf der Bank. Seine Haut war eine Spur blasser als sonst, die Augen geschlossen, das Haar wirr. Seine Arme baumelten leblos von der Sitzfläche herab und seine

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