Nacht aus Rauch und Nebel
meinem Schreibtisch aus dem Boden gewachsen. Farblos stand er da, die Haut von einem schwarzgrauen Zittern überzogen.
Ich antwortete nicht, mein Körper war zu sehr damit beschäftigt weiterzuatmen. Stattdessen hing mein Blick an Marians Lippen, die immer wieder von Leichenblässe in tiefste Finsternis umschlugen. Es dauerte einen Moment, bis der Schock beiseitewich und anderen Gefühlen Platz machte, einer trüben Brühe aus Empfindungen, die auf mich einströmte. Zunächst war da die Erleichterung darüber, dass es keiner der Einbrecher war, der mit einem Messer auf mich losging. Und ja, ich freute mich auch, Marian zu sehen. Doch gleichzeitig war da auch dieser Abstand. Allein der Gedanke daran schmeckte bitter. Wir waren kein Paar mehr, ich durfte mich nicht in seine Arme werfen, und wenn ich es mir noch so sehr wünschte.
Marians Schatten betrachtete mich schweigend, während ich in meinem Bett nach oben rutschte, bis ich eine halbwegs sitzende Position erreichte. »Hey«, krächzte ich. »Wir wollten uns doch aus dem Weg gehen.«
Marian kam einen vorsichtigen Schritt näher. »Ich konnte nicht anders, nachdem ich erfahren hatte, was passiert ist. Natürlich respektiere ich deinen Wunsch, aber … es fällt mir nicht leicht. Deshalb dachte ich, machen wir vielleicht heute eine Ausnahme.« Er sah mich an. »Wie geht es dir? So schlimm?« Ich erkannte die Sorge in seinem Blick. Die Sorge eines Leibwächters um seinen Schützling.
Ich zuckte mit den Achseln, räusperte mich und versuchte, das Zittern meiner Unterlippe unter Kontrolle zu bekommen. »Gut. Wieso?«
Er stieß ein trockenes Lachen hervor, kam noch ein Stück auf mich zu und stützte sich mit flimmernden Konturen auf den Pfosten des Fußendes. »Weil heute bei euch eingebrochen wurde? Weil du dich deshalb nun fürchtest? Komm schon, du bist dermaßen zusammengezuckt, als du mich vorhin entdeckt hast, ich hatte schon Angst, du bekommst einen Herzanfall.«
»Kein Wunder, wo du hier mitten in der Nacht wie ein Gespenst auftauchst, oder?« Ich versuchte ein Grinsen, doch es misslang kläglich.
Seine Hand fuhr über den Stoff meiner Decke. Mein Atem beschleunigte sich. »Und deine Augen sind total rot, weil du hier in deine Kissen heulst. Also, wenn du … wenn du willst, bleibe ich heute bei dir und passe auf dich auf.« Einen Wimpernschlag lang war da ein Funkeln in seinem Gesicht, seine Brauen zogen sich ganz leicht zusammen, als er mich betrachtete … Ich rang mit dem Bedürfnis, wieder aufzuspringen und ihn zu küssen. Mein Herz pochte bis in meinen Bauchnabel hinein. Du meine Güte, wir waren jung und wir liebten uns! Wäre doch bloß nicht dieser bescheuerte Riss in unserer Beziehung gewesen. Ich hätte ihn küssen und zu mir in die Kissen ziehen können. Ich hätte in seinem Arm liegen können! Doch so verflog der Moment, als Marian weitersprach: »Dein Vater möchte, dass Christabel und ich dich von jetzt an rund um die Uhr begleiten.«
Ich seufzte. »Diesen Blödsinn hat er mir auch schon eröffnet.«
»Ich könnte vor deiner Zimmertür Wache halten.«
»Äh, nein«, sagte ich und schob das Kinn vor. Mittlerweile reagierte ich ziemlich allergisch darauf, wenn Marian in seinen Kindermädchenmodus verfiel. »Das ist doch total unnötig. Christabel schläft auf der anderen Seite des Flurs. Außerdem komme ich allein sehr gut klar.«
Marians Mundwinkel zuckten zweifelnd. »Ja?«
»Sicher.« Ich gähnte demonstrativ. »Können wir unsere Unterhaltung vertagen? Ich bin echt müde.«
»Selbstverständlich.« Marian nickte und glitt hinüber zum Fenster. Schon tauchten seine Schattenhände durch das Glas, dann die Handgelenke, die Ellbogen. Kurz bevor seine Schultern an der Reihe waren, hielt er inne. »Du hast also kein Problem damit, in einem Zimmer zu schlafen, das gerade erst von Unbekannten verwüstet wurde?«, fragte er über die Schulter.
Doch, dachte ich, bemühte mich jedoch um einen festen Blick. »Ich habe aufgeräumt, Papa hat eine Lichtschranke in den Flur geschraubt und ich bin ein großes Mädchen, Marian.« Es tat ein bisschen weh, seinen Namen auszusprechen, weshalb ich beschloss, es in nächster Zeit möglichst zu vermeiden.
»Na dann. Ich wollte nur sichergehen«, sagte er und steckte den Kopf durch die Fensterscheibe in die Nacht hinaus. Kurz darauf war er verschwunden, ich konnte gerade noch sehen, wie sein Schatten über das Dach der Nachbarn in Richtung seiner Wohnung davonschwebte.
Dann war ich wieder allein mit der
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