Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
gut wie nie, was in Marian vorging. Was er sich wünschte, wovon er träumte, was ihn traurig machte. Sicher, da waren die Sache mit seiner Schwester und die Vorwürfe, die er sich wegen des Todes seiner Eltern machte, aber sonst? Ein Krieger des Grauen Bundes, Student, Eishockeyspieler, der Mann, der mich liebte, und doch … Was für ein Mensch war Marian wirklich? Weshalb, verdammt, konnten wir nicht zusammen und glücklich sein?
    Ich streckte meine Fingerspitzen aus, um ihm das weißblonde Haar aus der Stirn zu streichen. Kurz bevor ich ihn berührte, schlug Marian die Augen auf. Erschrocken machte ich einen Satz zurück und tauchte versehentlich mit dem Kopf in die Fensterbank. Einen Augenblick lang sah ich nur Holz und Lack, dann war ich wieder frei, gerade als Marians Hand zu einem länglichen Gegenstand auf dem Fußboden neben ihm zuckte, einer Art Schüreisen oder so etwas. Dann erkannte er mich und Alarmiertheit wich Belustigung. »Doch ein bisschen Schiss, was?« Er grinste mich an, fast schon gelöst. Anscheinend hatte er für einen Moment vergessen, dass er mir nicht vergeben konnte.
    »Quatsch«, sagte ich schnell. »Mir geht es bestens.«
    »Okay«, sagte Marian. »Darf ich dann fragen, was du mitten in der Nacht in meiner Wohnung zu suchen hast?«
    »Ich … äh …. ich … wollte … als ich an deinem Geburtstag hier war, habe ich wohl mein Mathebuch bei dir vergessen. Das brauche ich morgen.«
    »Du hast dein Mathebuch in meinem Schlafzimmer vergessen?« Er musterte mich anzüglich. »Interessant.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Zum Glück befand ich mich in meiner farblosen Schattengestalt und es war zudem so finster, dass Marian den dunklen Schimmer auf meinen Wangen wohl nicht bemerken würde. »N-nein. Ich glaube, es liegt irgendwo im Wohnzimmer«, stotterte ich.
    Marian hob die Augenbrauen, sein Grinsen wurde spöttischer. »Und nun stehst du also hier in meinem Schlafzimmer und beugst dich über mich, weil …?«
    »Verlaufen?«
    »Verstehe.« Er lachte in sich hinein. »Das ist ja auch ein richtiges Labyrinth hier. Vielleicht sollte ich für Gäste lieber eine Karte zeichnen. Nicht dass sich noch jemand verirrt und seine Leiche dann niemals gefunden wird in den unendlichen Weiten dieser Wohnung.« Er traf mich mit einem Blick, der mich erbeben ließ. Sollte ich ihn doch küssen? Nur heute Nacht. Nur ausnahmsweise. Doch ich fürchtete mich zu sehr vor dem Schmerz, vor dem Moment, in dem wir beide wieder in der Realität ankommen würden. Darum verschränkte ich stattdessen mit gespielter Empörung die Arme vor der Brust. »Außerdem habe ich mich überhaupt nicht über dich gebeugt«, sagte ich. »Und jetzt muss ich gehen.« Ich wandte mich dem Fenster zu.
    »Ohne das Mathebuch?« Er lachte noch immer.
    »Gute Nacht«, sagte ich so würdevoll wie möglich, dann schwebte mein Körper ins Freie. Ich hörte gerade noch, wie Marian mir ein vergnügtes »Gute Nacht, Prinzessin« hinterherrief, und zum ersten Mal war mir mein Schattentitel nicht unangenehm. Aus Marians Mund klang er, als wäre ich seine Prinzessin. Oder war das nur das, was ich mir wünschte?

7
DER KÖNIG DES BACKANDS
    Das Aquaristikgeschäft meines Vaters lag in einer wenig belebten Seitenstraße der Steeler Fußgängerzone und war nichts als ein kleines Ladenlokal voller Aquarien. Als Kind hatte ich hier oft gespielt, Fische gefüttert und Regale eingeräumt. Dennoch war ich zittrig, als ich es am darauffolgenden Nachmittag betrat. Zum einen, weil mich Marian schon den ganzen Tag über so auffällig unauffällig verfolgte, dass es mir kaum mehr gelang, einen klaren Gedanken zu fassen. Zum anderen, weil mein Vater mir eine SMS geschickt hatte. Hallo? Mein Vater, der einen Zettel im Portemonnaie hatte, auf dem stand, mit welchem Knopf das Handy anging?
    Ich trug einen schwarz glänzenden Body unter meiner Jacke und den Rucksack mit meinen Schulbüchern auf dem Rücken, denn ich war vom Unterricht aus zum Ballett und von dort aus sofort hierhergefahren, nachdem ich in der Umkleide die Nachricht entdeckt hatte.
    Komm bitte zum Laden. Es ist wichtig. Papa
    Wie hatte er das geschafft? Was war so wichtig, dass er dermaßen über seinen Schatten sprang?
    Das Glöckchen über der Tür verkündete mein Eintreten. Der Laden empfing mich mit seinen vertrauten Geräuschen und Gerüchen. Das Plätschern der Wasserfilter und das durchdringende Aroma von Fischfutter hingen in der Luft. Die Wände bestanden aus übereinandergeschichteten

Weitere Kostenlose Bücher