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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Freiheitsberaubung! Und es war lächerlich.
    Zornig warf ich mich mit meinem gesamten Gewicht gegen die Tür. »Ich muss mal pinkeln, Mann!«, brüllte ich, denn meine Blase war wirklich ziemlich voll und der Regen, der gegen das Fenster prasselte, machte es nicht gerade besser.
    »Christabel kommt gleich zurück, sie ist nur Einkaufen gegangen«, drang Marians Stimme aus dem Flur zu mir herein.
    Ich schnaubte. »Und so lange hat sie dich dagelassen, um mich zu bewachen? Das ist alles ein Missverständnis, Marian, der Kanzler hat das inszeniert. Du kennst ihn doch! Du weißt, wozu er fähig ist. Es ist wegen …« Ich brach ab. Das letzte Mal, als ich den Weißen Löwen in Marians Gegenwart erwähnt hatte, war das gründlich nach hinten losgegangen.
    »Dein Vater hat heute Morgen angerufen und dir Hausarrest verordnet. Ich muss seinen Befehlen gehorchen«, sagte er nur und kurz darauf: »Willst du aufs Klo?«
    »Nein danke«, rief ich in dem verzweifelten Versuch, mir einen Rest Würde zu bewahren, und schnappte mir stattdessen meine Handtasche von der Kommode. Fahrig kramte ich nach meinem Handy, denn anscheinend war ich nur von Verrückten umgeben. Besser, ich rief Wiebke an. Oder gleich die Polizei. Nein, ich musste mich beruhigen. Wenn schon alle um mich herum ausflippten, dann sollte wenigstens ich einen kühlen Kopf bewahren. Ich atmete tief durch und schickte Wiebke eine SMS, dass ich heute wohl nicht zur Schule kommen würde.
    Inzwischen war das Geräusch der Wohnungstür zu hören, dann Christabels Absätze auf dem Laminat.
    »Kommt schon, Leute! Ich bin kein Kind mehr. Lasst uns darüber reden«, startete ich einen neuen Versuch. Tatsächlich erklang kurz darauf das Klicken eines Schlüssels im Schloss, meine Tür schwang auf und eine verkniffen dreinblickende Christabel kam dahinter zum Vorschein.
    »Dein Vater ist stinksauer«, sagte sie.
     
    Der Tag zog sich wie Kaugummi. Nachdem ich Christabel und Marian meine Version der Geschichte erzählt und sie davon überzeugt hatte, dass mein Vater mal wieder den Einflüsterungen des Kanzlers erlegen war, war es bereits viel zu spät, um noch zur Schule zu gehen. Abgesehen davon hätten sie mich vermutlich auch nicht dorthin gelassen. Zwar schienen die beiden mir zu glauben und sperrten mich nicht länger in meinem Zimmer ein. Allerdings war beiden anzusehen, wie unangenehm es ihnen war, entgegen den Wünschen meines Vaters zu handeln. Ich beschloss daher, vorerst in der Wohnung zu bleiben. Zu dumm, dass mein Vater erst in ein paar Tagen von seiner Vortragsreise zurückkehren würde. Ich hätte auch ihm gerne alles erklärt.
    Während Christabel im Wohnzimmer fernsah, hockte ich also in meinem Zimmer und haderte mit meinem Schicksal.
    Was war das nur für ein Chaos, in das ich geraten war? Während ich bis vor einigen Tagen zumindest noch das Gefühl gehabt hatte, alles einigermaßen unter Kontrolle zu haben, kam es mir nun so vor, als hätte sich mein Leben in einen tosenden Mahlstrom verwandelt, der mich auf seinem Weg der Zerstörung mit sich riss. Als müsste ich hilflos dabei zusehen, wie alles unter meinen Füßen wegbröckelte, meine Familie, meine Beziehung zu Marian, mein Leben in der Schattenwelt und vielleicht bald auch noch meine reale Existenz. Wer wusste schon, was als Nächstes geschehen würde? Was, wenn das Nichts Eisenheim endgültig verschlang?
    Gegen fünf Uhr kehrte Marian klatschnass aus der Uni zurück. Der Regen hatte sich mittlerweile in ein handfestes Gewitter verwandelt. Blitze zuckten über den Himmel und die gegenüberliegenden Fassaden. Donnergrollen mischte sich mit dem Rauschen des Wasserkochers in der Küche. Zu dritt saßen wir wenig später um den Küchentisch und starrten in Tassen mit heißem Tee. Keiner von uns sagte etwas. Es gab nichts zu sagen. Mein Vater war verrückt, baute Aquarien und befand sich vollkommen in den Fängen des Eisernen Kanzlers. Ich selbst war in der Schattenwelt zu einer Aussätzigen geworden, weil der Kanzler Lügen über mich verbreitete. Und das Schlimmste an allem war, dass sich das Nichts derweil in aller Ruhe in die Schattenstadt und unsere Köpfe hineinfressen konnte. Niemand stellte sich ihm entgegen. Dabei sollte es jemand tun. Unbedingt.
    Marian wirkte erschöpft, unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Christabel hatte ihr Haar nachlässig zu einem Knoten gebunden. Ich selbst sah vermutlich nicht besser aus. Wie sollten wir in diesem Zustand die Kraft finden, etwas zu unternehmen? Ich

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