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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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einen, weil ich nun in aller Ruhe das Fundament durchkämmen kann. Zum anderen, weil Sie hier fürs Erste festsitzen und ich mir überlegen kann, was als Nächstes mit Ihnen geschehen soll.«
    Ich erinnerte mich daran, wie ich ihn im Palast beobachtet hatte, als ich im Unterricht eingenickt war. Anscheinend hatte er seine Rache da schon in die Wege geleitet und meinem Vater diesen Floh ins Ohr gesetzt! Ich konnte ein Schnauben nicht unterdrücken.
    »Kommen Sie, Flora, so muss es zwischen uns nicht sein. Ich will nicht Ihr Feind sein.«
    »Dann hätten Sie sich heute Nacht anders verhalten müssen!« Der Frost kroch durch die Windungen meines Gehirns und brachte mein Denken nach und nach zum Erstarren. Der Kanzler nicht mein Feind? Von seinen Worten wurde mir übel. Leider machte er keinerlei Anstalten, endlich die Klappe zu halten.
    »Schließ dich mir an und ich bringe deinen Vater dazu, dir zu verzeihen«, flüsterte er. »Gemeinsam können wir das Nichts vielleicht aufhalten. Triff nicht wieder die falsche Entscheidung.«
    Ich blinzelte. »Was wissen Sie über das Nichts?«
    »Nicht viel«, sagte er. »Aber wir stellen Nachforschungen an, wenn du es wünschst. Ich bin ein mächtiger Mann.« Seine Finger glitten wie Spinnenbeine über meinen Rücken. »Was ist? Kämpfen wir Seite an Seite für die Zukunft Eisenheims?«
    Irgendwo tief in meinem Innern regte sich ein Funke des Zweifels, denn obwohl ich die Methoden des Kanzlers verabscheute … Was wäre, wenn er mir wirklich half? Was, wenn doch er es war, der die richtigen Ziele verfolgte? Ich konnte ihm nicht vertrauen, aber … wäre alles nicht viel einfacher mit einem mächtigen Verbündeten? Hier war jemand, der mir helfen wollte, die Schattenwelt zu retten! Die rechte Hand meines Vaters, der Oberbefehlshaber der Schattenreiter! Aber leider wünschte sich ausgerechnet er nichts mehr als den Weißen Löwen, um Eisenheim damit in ein anderes Verderben zu stürzen. Ich war die Einzige, die zwischen ihm und dem Stein stand. Nein, es wäre gefährlich, dem Kanzler zu nahe zu kommen …
    Ich entzog mich seiner Berührung. »Es geht nicht.«
    »Das hatte ich befürchtet«, sagte er. Wir blickten gemeinsam in die Nacht hinaus. »Früher sind mir die Dinge gelungen, wissen Sie? Doch in den letzten Jahren bin ich nachlässig geworden. Es stimmt, was man sich über mich erzählt: Ich habe kein Leben mehr. Schon so lange habe ich die Sonne nicht mehr gesehen. Ich weiß gar nicht mehr, was Farben sind. Und vielleicht werde ich niemals wieder etwas empfinden können.« Er lehnte die Stirn an das Gitter des Fensters. Seine Schultern zitterten. »Ihnen kommt das wahrscheinlich lächerlich vor, so lebendig, wie Sie sind.«
    Ich legte den Kopf schief. »Nein«, sagte ich. »Nein, das tut es nicht. Ich kann nur nicht verstehen, dass Ihnen jeder Preis recht ist, um ein Portal in die reale Welt zu schaffen. Wir dürfen den Weißen Löwen nicht einsetzen. Niemand von uns.«
    »Nun, wir werden sehen.« Der Kanzler schenkte mir ein trauriges Lächeln und schob sich auf das Fenstersims hinaus. »Das heißt: Sie bleiben ja vorerst hier gefangen. Aber vielleicht sende ich irgendwann mal einen meiner Männer vorbei, um Sie über meine Grabungen auf dem Laufenden zu halten.«

12 REGEN
    Als ich erwachte, stellte ich erleichtert fest, dass es Morgen und ich in die reale Welt zurückgekehrt war. Zwar fühlte ich mich hier eindeutig fitter als zuvor in Eisenheim, dennoch lag ein bitterer Geschmack auf meiner Zunge und erinnerte mich daran, was geschehen war.
    Ich linste auf den Wecker auf meinem Nachttisch und schrak hoch. Es war bereits nach neun Uhr, ich würde viel zu spät zur Schule kommen. Hastig schwang ich die Beine aus dem Bett und wollte ins Bad stürzen, doch meine Zimmertür hinderte mich daran.
    Sie war verschlossen.
    Na super! Also hielten mich mein Vater und Christabel tatsächlich für die wahnsinnige Attentäterin, als die der Kanzler mich hingestellt hatte! Wollten sie mich nun wirklich auch in dieser Welt wegsperren wie eine Schwerverbrecherin? Das durfte doch echt nicht wahr sein. Ich rüttelte so fest ich konnte an der Tür und hämmerte mit den Fäusten dagegen. »Christabel? Lass mich raus. Ich kann das alles erklären. Der Kanzler spielt ein falsches Spiel, er hat mich und euch ausgetrickst! Hörst du mich? Er will sich doch nur an mir rächen!«
    Mein Redeschwall ebbte ab. In der Wohnung blieb es still und ich musste ernsthaft nach Luft schnappen. Das war

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