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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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»Wirklich?«
    »Christabel und ich glauben dir«, versicherte er.
    »Gut«, sagte ich. »Aber dir ist schon klar, dass es hier um mehr geht, oder? Das Nichts wird Eisenheim zerstören, wenn ich nicht bald etwas unternehme.«
    Marian nickte und stieß mich gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor ein Blitz die Wolke an der Stelle durchzuckte, an der wir geschwebt waren. Ich schrie vor Schreck auf, doch Marian sprach weiter, als wäre nichts gewesen. »Christabel wird sich nicht weiter überreden lassen, die Befehle deines Vaters zu missachten. Aber ich habe beschlossen, es zu tun. Du kannst nicht in diesem dämlichen Turm bleiben.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »So kann es doch nicht weitergehen, oder? Wir können die Schattenwelt nicht einfach so untergehen lassen, nur weil etwas zwischen uns steht, Flora!« Er atmete aus. »Wir müssen uns zusammenraufen.«
    Ich strich mir das nasse Haar aus dem Gesicht und probierte ein Lächeln. »Klingt nach einem Plan.«
    Marian nickte.
    Ohne darüber nachzudenken, nahm ich seine schwärzlich flackernden Schattenhände in meine. Sie fühlten sich genauso warm und schwielig an wie seine menschlichen. »Danke«, sagte ich. »Aber was ist, wenn ich wieder von dem Stein anfange? Das könnte passieren, weißt du? Rennst du dann wieder weg?«
    Marians Mundwinkel zuckten, während seine Finger sich in meine flochten. Der Regen strömte durch unsere Schattenhände hindurch. »Ich frage mich schon länger, ob es so wichtig ist, dass wir einander nicht trauen. Müsste das nicht eigentlich egal sein, weil wir –« Er wollte mich an sich ziehen, doch ich schüttelte den Kopf.
    »Wenn unsere Gefühle stärker wären, dann wäre es nicht so schwer, oder? Dann könntest du mir vergeben und ich –«
    »Na gut, dann kann ich dir eben noch nicht alles verzeihen, was du getan hast«, unterbrach er mich, seine Stimme wurde rau. »Aber … ehrlich gesagt ist mir das gerade egal. Es ist genauso schwer für mich, in deiner Nähe zu sein, wie es nicht zu sein, okay?« Seine Hände hielten meine so fest, dass es wehtat.
    »Okay«, flüsterte ich.
    Wir hingen mitten im Himmel. Zwei flackernde Seelen in der Dunkelheit, umringt von tanzenden Blitzen. Donnergrollen fraß sich durch unsere Gedanken, ein Regentropfen, der zuerst durch meinen und dann durch Marians Daumen stürzte, ließ uns für einen Herzschlag miteinander verschmelzen.
    »Ich lasse nicht zu, dass der Kanzler dir noch mal zu nahe kommt«, murmelte Marian.
    Ich senkte den Kopf zu einem Nicken, doch als ich mein Kinn wieder hob, flog mein Körper wie von selbst mit in die Höhe, ein kleines Stück nur, hinauf zu Marians Mund. Vorsichtig legte ich meine Lippen auf seine. Sie waren kühl, er schmeckte nach dem Sturm um uns herum. Auf meiner Zungenspitze prickelte das Gewitter. Ich drängte mich an ihn, schloss die Augen und küsste ihn, weder zärtlich noch vorsichtig. Marian wurde zu meinem Anker, an den ich mich klammerte, und er ließ es geschehen. Zuerst stand er nur da, vielleicht, weil es ihn überraschte. Vielleicht, weil er fürchtete, den Moment zu zerstören, wenn er sich regte? Meine Handfläche glitt über seine Wange, fühlte die Bartstoppeln darauf und das Lächeln, das auf seinem Gesicht lag, als er sich schließlich doch rührte und den Kuss erwiderte.
    Das Gleißen eines Blitzes erhellte das Innere der Wolke, den Himmel darunter und die Welt, die in der Tiefe lag.
    Marian legte seine Arme um mich, hielt mich fest. »Wir machen es gemeinsam, Flora«, raunte er. »Wir finden heraus, was vor sich geht, und wir helfen Ylva.«
    Ich hinderte ihn daran weiterzusprechen, indem ich seinen Mund erneut in Beschlag nahm. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Marian, sich daran zu erinnern, was ich ihm angetan hatte. Sobald wir zu viel grübelten, würden wir neue Hindernisse finden, die gegen das sprachen, was wir hier taten. Meine Finger glitten durch sein Haar, seine Hände wanderten wie von selbst über meinen tropfnassen Schattenkörper, streiften meine Taille, den Ansatz meiner Brüste.
    »Ich hole dich aus diesem verdammten Turm raus«, murmelte er weiter. »Und dann …«
    »Dann müssen wir zum Nichts«, flüsterte mein Mund von ganz allein, ohne dass ich es vorgehabt oder nur daran gedacht hatte. Dort verlor sich schließlich die Spur dieses Desiderius, wenn ich die Frau im Rathaus richtig verstanden hatte. Konnte man jemanden im Nichts wiederfinden?
    Marian blinzelte, seine Hände hielten inne. »Zum

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