Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)
seinen Wagen abgeschlossen. Wir müssen ihn ins Haus tragen."
Sie ging in die Küche und Geraldine folgte ihr.
Die alte Frau war in Gedanken versunken.
Sie goss sich einen Kaffee ein, bot auch der Tierärztin einen an und gemeinsam setzten sie sich an den Küchentisch.
"Callahans Auftauchen gefällt mir nicht. Und sein Verschwinden gefällt mir ebenso wenig."
"Warum? Was befürchtest du?"
"Keine Ahnung. Es ist nur ein Gefühl. Aber doch, ich befürchte, dass Callahan einen Hintergedanken hatte, als er hierherkam. Das bereitet mir zurzeit fast mehr Sorge als die Vampire."
"Hat er denn das Grundstück wirklich verlassen?"
Uracha nickte. "Zwei der Männer sind ihm gefolgt. Er ist meilenweit in den Süden gewandert, in die Richtung ihres Dorfes. Eigentlich sollte man meinen, dass er jetzt weg ist. Aber natürlich hindert ihn nichts daran, zurückzukommen. Andererseits wäre das ein sehr unkluges Verhalten. Sobald die Vampire draußen sind, ist er selbst in Lebensgefahr. Und doch habe ich das Gefühl, dass er beim Kampf mitmischen wird."
Ihre Stirn krauste sich zusammen. "Ach, was soll's? Ich bin zu alt, um mir Sorgen zu machen."
Eine Zeit lang hingen die beiden Frauen ihren eigenen Gedanken nach. Geraldine versuchte, die ganzen Beziehungen im Werwolfrudel zu ordnen. Und sie kam immer wieder auf Urbanos Verhalten zurück. Sie fragte sich, ob er überhaupt eine Beziehung eingehen konnte, ob er überhaupt eine Idee hatte, dass sie ein Mensch mit einem eigenen Blickwinkel und eigenen Gefühlen war. Sie ließ noch einmal alle Situationen an ihrem inneren Auge vorbeigleiten, in denen sie Kontakt gehabt hatten. Urbano hatte sie geschützt und er hatte sich um sie gesorgt. Doch jetzt hatte Geraldine eher das Gefühl, dass er das wie bei einem zerbrechlichen Gegenstand getan hatte, nicht wie bei einem Menschen, der durch Erfahrungen verletzt, verängstigt oder gedemütigt werden kann. So hatte sie keinerlei Zweifel, dass er alles tun würde, um sie zu retten. Aber sie traute ihm nicht zu, dass er sie verstehen würde.
"Die Sonne berührt den Horizont.", hörte Geraldine eine Stimme.
Mutter der Bären war geräuschlos in die Küche getreten und riss die junge Frau jetzt aus ihren Gedanken.
"Gut!", sagte Uracha. "Ich konnte noch nie gut warten. Sie werden noch einige Zeit brauchen, bis sie hier sind. Vermutlich liegt ihr Nest ganz im Süden, in der Nähe der Küste. So haben wir Zeit, uns alle noch einmal zu stärken."
Sie stand auf, öffnete ihren riesigen Kühlschrank und holte mehrere Fleischpasteten heraus. Diese stellte sie auf den Küchentisch und legte ein Messer dazu.
Das Messer erinnerte Geraldine daran, dass sie ihr eigenes in der Wohnung liegen gelassen hatte. Sie fragte Uracha nach einer Waffe. Die alte Frau nickte.
"Oben befindet sich ein Schrank mit Jagdutensilien. Und ich glaube, ich habe sogar einen alten Dolch, der eine gewisse Geschichte hat."
* * *
Sie stiegen die breite Treppe in den ersten Stock empor. Dort öffnete Uracha eine Tür, die in einen kleinen Raum führte, der offensichtlich als Schlafzimmer gedacht war, der aber nichts von dem Luxus aufwies, den solche Schlafzimmer in Herrensitzen besaßen, wenn sie in Filmen auftauchten. Tatsächlich war dieses Zimmer eher dürftig eingerichtet, fast schon eine Kammer. An einer Wand stand ein Himmelbett, daneben ein zerbrochener Spiegeltisch, dessen Platte wie durch einen mächtigen Schlag in zwei Hälften geteilt worden war und dessen Schubladenabdeckungen schief und quer hingen. An der anderen Seite der Wand stand ein Kleiderschrank. Diesen öffnete Uracha. Er war voller Waffen. Vor allem die Gewehre stammten deutlich aus einer anderen Zeit, einer Zeit, als es noch keine automatischen Pistolen gab. Jeder Liebhaber historischer Feuerwaffen hätte hier eine wahre Fundgrube entdeckt. Für einen Kampf waren sie allerdings nicht zu gebrauchen.
Uracha wühlte zunächst in dem oberen Schrankteil herum, zwischen den Gewehren und als sie dort nicht zu finden schien, was sie suchte, öffnete sie die breite Schublade darunter. Auch diese war voller uralter Sachen.
Sie holte zunächst ein kleineres Jagdmesser heraus, dessen Klinge in ein Stück Hirschgeweih eingelassen war. "Das ist es auf keinen Fall. Aber vielleicht kann es trotzdem nützlich sein."
Während Uracha weiter suchte, schnappte Geraldine sich das Jagdmesser. Es war reichlich stumpf und die Klinge viel zu kurz. Damit konnte man vielleicht einen Menschen ernsthaft verletzen, aber die
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