Nacht der Dämonen
gekommen.
Sobuts Tod hatte Hefei schwer erschüttert. Etwas Schreckliches ergriff Besitz von ihr und der Stadt. Sobuts Tod war ein letztes Glied einer wachsenden Kette der Verhängnisse, die die Götter schickten – oder aber auch das grausame Erdvolk.
Trotz einer gewissen inneren Unruhe war Gevem in weit besserer Stimmung als seine Gastgeberin. Ein mögliches Gefühl bevorstehender Gefahr kam durch den Anblick der Streitkräfte, die langsam aus dem Norden auf die Stadt zuritten, gar nicht erst auf.
Keldum!
Gevems Gefühle waren jedoch zwiespältig. Einerseits würde er sich mit Hauptmann Keldum und seinen Leuten in der Stadt viel sicherer fühlen, andererseits kam Keldum in der Hoffnung hierher, die Rote Sonja in Ketten vorzufinden. Nun ja, wenn er sie ihm nicht sofort ausliefern konnte, war. er doch in der Lage, ihm mit seinem nicht unbeträchtlichen Wissen in diesem Fall zu helfen.
Gevem wandte sich vom Fenster ab. Es wurde allmählich hell in seinem Gemach. Es wird Zeit, dachte er.
Er öffnete die Tür, nickte dem neuen Wachtposten davor flüchtig zu.
»Ihr steht schon früh auf, Leutnant Gevem.«
»Ja. Ich werde mit euch Soldaten frühstücken, statt zu warten, bis die Herrscherin aufsteht. Ich habe kaum geschlafen, es war eine schlimme Nacht.«
»Ja, Leutnant, das war sie.«
Gevem schritt durch den Korridor zu den Küchen, wo das Gesinde das Frühstück für die Soldaten zubereitete, die Frühdienst hatten. Als er jedoch außer Sicht des Postens war, nahm er schnell einen anderen Weg. Er rannte die Hintertreppe zum ersten, dann zum zweiten Stock hoch, bis er schließlich zu dem Korridor kam, der zum Tempel führte.
Der Tempel …
Gemesseneren Schrittes stieg er nun eine Treppe hinunter und die Säulengalerie entlang, vorbei an der Stelle, wo er Sobut über die Brüstung gestoßen hatte. Er unterdrückte den Wunsch, darüberzublicken und zu dem Blutflecken auf den Fliesen unten zu schauen. Statt dessen bog er um eine Ecke. Bloß gut, dass selten Soldaten in den Tempel geschickt wurden! Nur in Notfällen kamen sie hierher. Immerhin waren hinter den verhangenen Türöffnungen hübsche Tempeljungfrauen, die eine zu große Verlockung für so manchen sein mochten.
Gevem kam zu Tiamus Kammer.
Er blieb stehen und hob eine Hand zum vorgezogenen Behang. Er lauschte, und als er nichts hörte, zog er den Vorhang zur Seite, trat ein und zog ihn wieder vor. Erst als nicht eine Falte des Behangs sich mehr bewegte, wagte er wieder zu atmen. Seine Augen passten sich der Dunkelheit in der Kammer an – die Fensterläden waren geschlossen, und kein Licht brannte. Dünne Vorhänge trennten das Gemach in ein Schlaf- und ein Wohngemach und in eine Andachtsecke ab.
Gevem zögerte. Er war es nicht gewohnt, im Morgengrauen ins Schlafgemach einer Jungfrau einzudringen. Aber mit seiner Unsicherheit vermischte sich etwas anderes – ein seltsames Machtgefühl. Wie aufkommende Blitze in Gewitterwolken funkelte Grausamkeit in seinen Augen. Er trat nun tiefer in die Kammer, um festzustellen, wo Tiamu schlief. Ihr regelmäßiger, leiser Atem führte ihn in eine Ecke, wo sie hinter einem durchsichtigen Vorhang schlummerte. Sie lag auf dem Rücken ausgestreckt, und der größte Teil ihrer Decken war auf den Boden geglitten. Gevem betrachtete ihre geschmeidige Figur, schluckte und lächelte. Er hatte kaum erwartet gehabt, dass die Götter ihm so bereitwillig helfen würden. Vorsichtiger denn zuvor trat er näher, teilte den Schleiervorhang und blieb vor dem Bett stehen.
Noch graues Tageslicht filterte durch einen halbgeöffneten Fensterladen. Das weiche Seidenhaar schmiegte sich an Tiamus Wangen und den Hals, die sanfte Wölbung des Bauches hob und senkte sich mit ihrem Atem genau wie die festen Rundungen der Brüste; die langen, wohlgeformten Beine waren leicht angezogen. Gevems Nasenflügel zitterten leicht, während er sie betrachtete.
Ganz leise knarrten seine Stiefel, als er sich bückte.
Angespannt beobachtete er Tiamus Gesicht. Er war sicher, dass sie jeden Augenblick seine Anwesenheit spüren und aufwachen würde. Dann würde sie zu schreien versuchen, sich wehren und mit ihrem Brüllen den ganzen Tempel und den Palast alarmieren …
Er richtete sich ein wenig auf, beugte sich über Tiamus Gesicht. Seine rauen Hände warfen ihre Schatten auf ihre Augen und die leicht geöffneten Lippen.
Wieder knarrten seine Stiefel. Gevem schluckte. In seinen Ohren klang dieses Geräusch unendlich laut.
Einen Augenblick kam Tiamus
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