Nacht der Dämonen
komm, alter Prophet mit deiner Weissagung vom Untergang; kommt ihr zamorianischen Soldaten – ich werde kämpfen! Und Ihr, Mophis, befehlt Eurem Untergebenen Uss zu verkünden, dass das Erdvolk bald sein größtes und letztes Opfer bekommen wird, auf dass sein Hunger gestillt und es für immer besänftigt wird. Denn ob Sturm, Hungersnot, Seuche oder feindliche Armeen, ich werde kämpfen – ich werde kämpfend sterben, wenn es sein muss, denn dies ist meine Stadt, und ich bin Hefei.«
Mophis kannte seinen Platz. Er verbeugte sich tief vor seiner Herrscherin in Anerkennung ihrer Überlegenheit.
Hefei warf ihren Umhang um die Schultern und erklärte: »Ich werde jetzt diese Kohorte von Eindringlingen begrüßen, o Deuter von Eingeweiden und Rauch.« Sie drehte sich um und verließ das Gemach.
Der Hohepriester strich über seinen Spitzbart und zog die Brauen zusammen. Er konnte das Gefühl nicht leugnen, dass schlimme Gefahr sich zusammenbraute – und nur von der zamorianischen Kohorte. Er musste die Zukunft deutlicher lesen, musste sie nach Hefeis Wünschen lenken oder seine Niederlage vor den mächtigeren der Götter eingestehen.
Die Götter – gab es sie überhaupt? Hatte der alte Prophet Muthsa ihre Absichten wirklich richtig vorhergesehen? Diese verdammte flammenhaarige Kriegerin!
Mophis seufzte, denn besser als jeder andere kannte er die Grenzen seiner Magie.
Tiamu lag reglos, seit Gevem sich aus ihrer Kammer gestohlen hatte. Eine Weile hatte sie geglaubt, tot zu sein, doch dann war ihr Geist in ihren Körper zurückgekehrt, und sie hatte die Schmerzen, die Pein, das Bluten gespürt. Sie blutete jetzt nicht mehr, obgleich sie eine Weile gebetet hatte, sie möge verbluten. Denn sterben musste sie – man würde sie töten, wenn man dahinter kam.
Bestimmt war es die Strafe der Götter für ihren Verrat, für ihr Verbrechen, der Roten Sonja zu helfen.
Lange blieb Tiamu noch reglos im Dämmerlicht ihrer Kammer liegen, atmete schwer und starrte blicklos vor sich hin. Sie stellte sich die Rote Sonja vor, wie sie aus der Stadt ritt und nordwestwärts im Dunkel der vergangenen Nacht; wie sie vom Erdvolk überfallen wurde, von diesen Dämonen, die Fleisch zu Rauch machten, die blutige Innereien verschlangen, Knochen brachen, Leben vernichteten und den Geist sowohl wie das Fleisch zerstörten, dass der Fluch auch noch über das Grab hinaus anhielt.
Denn nun wusste sie, dass die Mächte des Bösen größer als alle anderen Kräfte waren. Sie hatte die Rote Sonja ins Verderben geschickt!
Und während sie an die Rothaarige dachte, sich vorstellte, wie sie in das öde Bergland ritt, empfand sie eine Seelenverwandtschaft mit ihr. Dann malte sie sich aus, dass auch sie nordwestwärts zog, wie Sonja es getan hatte – um für ihre Tat zu büßen, um sich dem Fluch, der auf ihr lag, zu stellen. Sie hatte sich dagegen aufgelehnt, geopfert zu werden, hatte nicht gehorcht und war grausam bestraft worden. Nun würde sie sich selbst dem Erdvolk opfern, gegen das sie sich versündigt hatte.
Die Ungeheuerlichkeit des Ganzen quälte Tiamu schier unerträglich. Sie hatte sich falsch benommen. Vielleicht war die Rote Sonja gar nicht der prophezeite flammenhaarige Krieger, oder wenn doch, war es möglicherweise bestimmt gewesen, dass sie in der Stadt blieb – vielleicht war Tiamu deshalb bestraft worden, weil sie irgendwie gegen den Willen der Götter verstoßen hatte.
Aber wie auch immer, sie hatte sich schuldig gemacht und musste bestraft werden. Ohne Essen, ohne Wasser – wie es die übliche Strafe vorsah – würde sie hinaus in die Wildnis ziehen. Freiwillig würde sie zum Erdvolk gehen, das Sonja vernichtet hatte, und sie würde es bitten, dass es auch ihr Fleisch und ihren Geist zerstöre. Aus eigenem Willen würde sie ihr Los herbeiführen, dem zu entgehen sie in ihrer Gottlosigkeit gehofft hatte.
Es wurde heller in ihrer Kammer, und Tiamu hörte das fröhliche Lachen anderer Tempelmädchen. Nun musste sie vorsichtig sein, musste Elkad heimlich verlassen, ehe irgend jemand sie fragen konnte, was sie vorhatte. Es war gar nicht daran zu denken, zu Hefei oder Mophis zu gehen, um zu melden, was der Zamorier getan hatte. Ihr Schicksal verbot es – es war eindeutig: die Götter wollten ihren Tod. Sie konnte sich nicht einmal den anderen Tempelmädchen anvertrauen, sie wären entsetzt!
Tiamu stand auf. Sie litt an Körper und Seele. Die Beine drohten, unter ihr nachzugeben, und ihr war übel, dass sie glaubte, sie
Weitere Kostenlose Bücher