Nacht der Dämonen
Atem unregelmäßig. Ihre Nasenflügel blähten sich, ihre Hände ballten sich an ihren Seiten, ihre Beine streckten und drehten sich halb. Sie lächelte im Traum und bewegte den Kopf auf dem Kissen …
Gevems Hände, grau in der Dämmerung, fielen auf sie hinab. Eine Hand legte sich auf ihren Mund, drückte fast würgend darauf, während die andere sie an einem Handgelenk packte, so fest, dass sie es brechen würde, versuchte Tiamu sich zu wehren.
Die stumme Botschaft konnte nicht deutlicher sein.
Furcht leuchtete in Tiamus jetzt offenen, erschrockenen Augen. Schweiß begann auf ihrer Stirn zu glitzern. Sie hielt vor Furcht den Atem an.
»Ein Laut«, drohte Gevem flüsternd, »und ich bringe dich um! Verstanden?«
Das Mädchen zitterte. Gevem ließ sie nicht los. Sie antwortete nicht.
Angespannt fragte er: »Hast du der Roten Sonja geholfen, sich zu befreien?«
Tränen quollen aus Tiamus Augen, tropften von ihren Wimpern und perlten über die Wangen, als sie heftig nickte.
»Wohin ist sie? In welche Richtung ist sie geritten?« Ein neuer, wilder Ton klang aus Gevems Stimme.
Tiamu hob die Lider über den weiten Augen so hoch sie konnte, als wolle sie über sich deuten.
»Nach Norden? Nein? Dann nach Nordwesten, richtig?«
Wieder nickte sie. Weitere Tränen rollten. Sie schien zu husten oder zu würgen, doch Gevem verringerte den Druck auf ihren Mund nicht. Er war noch nicht fertig mit ihr. Tiamu spürte es. Zum ersten Mal jetzt wehrte sie sich in seinem Griff.
Gevem, ein Veteran vieler Feldzüge, ein kampferfahrener Mann von großer Kraft, hielt sie fest.
Er nahm die Hand von ihrem Handgelenk und legte sie um ihren Hals. »Wenn du zu schreien versuchst oder auch hur einen Laut von dir gibst, erwürge ich dich. Verstanden?«
Entsetzt schloss sie die Augen. Ein heiseres Krächzen war alles, was sie hervorbrachte. Vor Angst, sich zu bewegen, drückte sie den Kopf tiefer ins Kissen, bemühte sich, ihr Bewusstsein zu begraben, um so wenig wie nur möglich von dem mitzubekommen, was mit ihr geschah.
Das bin nicht ich – nicht mir tut er das an …
Sie spannte sich an, wand sich, starrte in das grausame Gesicht des Mannes, versuchte sich aufzusetzen, ihm die Hände ins Gesicht zu schlagen und, trotz der Folgen, die es für sie haben würde, zu schreien … .
Da schlug er ihr ins Gesicht, versetzte ihr einen Kinnhaken. Sterne barsten vor ihren inneren Augen. Würgende Finsternis überwältigte sie.
Über den Flachlandwiesen hinter Sonja breitete sich das Morgengrauen aus. Ihr Pferd lehnte sich wiehernd auf, als sie es einen felsigen Hang hochzwang.
In diesem ersten, schwachen Licht des Tages sah Sonja weit hinter sich die stumpfgrauen Mauern der Stadt. Sie verfluchte sie, genau wie sie dieses abscheuliche Gebiet verfluchte, in das Tiamu sie geschickt hatte.
Es war ein langer Ritt in der Dunkelheit gewesen und ein langsames Vorwärtskommen durch das Tal und in die niedrigen Berge, die es im Nordwesten begrenzten. Das Land ringsum war so ausgetrocknet wie die Steppe und weit schwieriger zu passieren. Sie befand sich nun auf einem Hang aus Schiefer. Er führte zu einem Kamm empor, der von finster wirkenden, turmähnlichen Felsen gekrönt war. So oft war ihr Pferd auf nachgiebigen Schieferplatten und losen Steinen ausgerutscht, dass Sonja einen Sturz befürchtete. Sie saß ab und führte es nun zu Fuß. Es gab hier wenig Grün, und die Strecke voraus wirkte noch unfreundlicher – mehr als ein sicheres Versteck bot diese Gegend hier sicher nicht.
Sie verfluchte auch sich, weil sie auf die junge Tiamu gehört hatte. Schließlich gönnte sie sich eine Rast und setzte sich auf das Schiefergestein. Sie aß ein wenig Brot und trank vom Wein. Nun, da sie ein bisschen Zeit zum Nachdenken hatte, empfand sie dieses merkwürdige, unheimliche Gefühl in der Luft noch stärker, als damals, als sie sich der Stadt genähert hatte. Eine Reihe geopferter junger Mädchen, der Blutgeruch noch in der mondhellen Nacht – und jetzt dieses felsige, narbige Land, finster wie die Hölle und so ohne Leben wie die Luft um die toten jungen Mädchen …
Etwas Böses war in diesem Land, das spürte Sonja in diesem Augenblick ganz deutlich.
Doch da dieses Gefühl nicht das unmittelbar drohender Gefahr war, verdrängte sie es. Der Morgen wurde heller und erhöhte ihr Selbstvertrauen.
»Tarims Teufel!« fluchte sie, als sie sich nach ihrem Frühstück erhob. »Diese verdammten Narren haben es doch tatsächlich geschafft, dass ich
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