Nacht der Dämonen
erhielten den Befehl, auf dem Hauptplatz vor den Palast- und Tempelbauten abzusitzen, dann trat Gevem aus dem Palast, um sie im Namen der Herrscherin Hefei und des Hohenpriesters Mophis herzlich willkommen zu heißen – und um mit seinem Kommandanten zu sprechen.
»Ich erhielt ein Signal, Gevem«, sagte Keldum. »Berichte, was geschehen ist! Weshalb hast du die Stadt allein betreten?«
Gevem schluckte. In der Gegenwart des einzigen Menschen, den er wirklich fürchtete, fühlte er, wie sein Mut ihn verließ, und er musste dagegen ankämpfen, sich vor dem anderen zu demütigen und zu entschuldigen. Keldums Miene war finster, seine Augen funkelten, und seine Haltung war so herrisch wie immer. Dazu war seine Laune alles andere als die beste.
»Ich hatte angenommen, dass die Rote Sonja hier Zuflucht suchte und wollte sie nicht erschrecken, dass sie die Falle rechtzeitig verließ«, erwiderte Gevem mit gesenkter Stimme. »Sie war auch tatsächlich hier, aber …« Gevem zuckte innerlich zusammen, als er den wachsenden Zorn in Keldums Gesicht las. »… aber sie tötete ihren Wächter und entkam. Sie hatte sich hier gewisser Verbrechen schuldig gemacht, derentwegen die Herrscherin Hefei und der Oberpriester Mophis sie in den Kerker werfen ließen, doch …«
»Entkommen?«
»Ja, aber erst vergangene Nacht und wir können sie leicht noch …«
Keldum lachte plötzlich. »Ha, das sieht ihr ähnlich. Sie ist nicht wie andere Frauen. Gewöhnliche Sterbliche können es nicht mit ihr aufnehmen. Es wird ein seltenes Vergnügen sein, sie zu zähmen. Aber, Gevem …« Seine Miene verfinsterte sich wieder. »… was hast du getan, deine Unüberlegtheit wieder gutzumachen?«
Erneut schluckte Gevem. »Vergangene Nacht tötete ich einen Palastoffizier, der unseren Plänen hätte schaden können. Von ihm erfuhr ich zuvor von einer Tempeljungfrau, die der Hyrkanierin bei der Flucht half. Ich zwang sie, mir zu verraten, wohin die Hyrkanierin floh. Also ist alles im Lot. Sonja ist nach Nordwesten geritten, in ein Gebiet, das diese Menschen hier in ihrem Aberglauben fürchten. Wir können ihrer Fährte mühelos folgen, denn kein anderer wagt es, in diese Richtung zu reiten.«
Keldum bedachte seinen Adjutanten mit einem durchbohrenden Blick.
»Verdammt!« fluchte er. »Du hast sie so gut wie gehabt und sie gehen lassen!« Er drehte sich um und blickte über den Platz. »Fühlst du etwas – Merkwürdiges hier, Gevem?«
»Nein, Hauptmann.«
»Nun …«, Keldum zuckte die Schultern. »Wir werden unsere Pferde füttern und tränken, und zusehen, dass wir weiterkommen, solange Sonjas Spuren noch lesbar sind …«
»Hauptmann.« Gevem schöpfte Mut aus der Tatsache, dass Keldums sichtbare Besorgnis offenbar seine Erregbarkeit dämpfte. »Ich bitte Euch, überlegt vielleicht sollten wir die Stadt nicht so überstürzt verlassen.«
Keldum blickte ihn erstaunt an. »Was soll das heißen?«
»Es ist eine reiche Stadt, obwohl es vielleicht nicht so aussieht. Ich habe beachtliche Schätze hier gesehen. Allein das Gold und die Edelsteine, die die Tempeljungfrauen als Geschmeide tragen, würden uns und alle unsere Männer wohlhabend für den Rest unseres Lebens machen. Ja, wenn man seine Abgeschiedenheit betrachtet, ist dieser Ort ein Obstbaum in der Wüste, dessen reife Früchte nur gepflückt werden müssen. Bedenkt bloß!« Gevems Augen glitzerten fiebrig, als er sich immer mehr für diesen Gedanken erwärmte. »Wir befinden uns mit all unseren Männern innerhalb der Mauern der Stadt. Mit einem Streich können wir uns ihrer bemächtigen, dazu brauchen wir lediglich die Herrscherin und den Hohenpriester als Geiseln zu nehmen. Obgleich sie uns an Zahl überlegen sind, dürften wir keine Schwierigkeiten haben, den Palast zu besetzen und zu halten. Dann, nachdem das Lösegeld bezahlt ist …«
Keldum brüllte vor Lachen, doch dann fuhr er seinen Leutnant in plötzlich wieder veränderter Stimmung zornig an:
»Du bist ein ‚treuer Hund, Gevem – aber eben ein Hund. Du denkst nur an Niedriges. Nein, ich werde mich nicht damit beschmutzen, diese Menschen zu überfallen, die uns ihre Gastfreundschaft anboten. Noch weiche ich von meinem ursprünglichen Plan ab.«
Ein wenig verärgert sagte Gevem: »Ist diese Frau, die Ihr verfolgt, denn soviel wert, dass der Reichtum, den wir alle erwerben könnten, Euch nichts bedeutet?«
»Sprich nicht von Dingen, die du nicht verstehst!« knurrte Keldum mit gefährlich finsterem Gesicht. »Sie ist keine
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