Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
geht ihm auf, wie realitätsfern diese Träume sind, wenn die Außentemperatur kaum je unter fünfzehn Grad Celsius sinkt.
Ich besorgte eine Pinzette aus dem Bad, zog die größten der versengten Fetzen aus dem Kamin und legte sie auf ein leeres Blatt Papier. Die Kanten waren verkohlt, aber in der Mitte waren jeweils ein paar Worte zu erkennen.
»Das ist doch die Adresse vom Easy Rider, oder?«, fragte Paige.
Ich nickte. Ein Teil der Adresse war noch lesbar, und darunter stand:
11
:
00
Invent.
»Das sagte ihm, wann er damit rechnen konnte, dass Bianca da ist und Inventur macht«, sagte Paige. »Es muss ein fester Zeitpunkt sein – vielleicht kam eine Lieferung.«
Der Rest bestand überwiegend aus Satzfetzen:
muss abgeschlossen sein … absolut niemand … benachrichtigen, dass wir …
Ich sammelte die brüchigen Fetzen behutsam ein und steckte sie in eine Tüte, um sie später im Labor untersuchen zu lassen.
»Wir sollten mit den Nachbarn reden«, sagte Paige. »Ortega hat allein gelebt, oder?«
Mein Vater nickte. »Er ist seit etwa zehn Jahren geschieden und hat keine Kinder.«
»Und allem Anschein nach auch keine feste Freundin«, erwiderte Paige, »was es natürlich einfacher macht, spurlos zu verschwinden. Aber immerhin habe ich damit einen Vorwand, bei den Nachbarn nachzufragen.«
Sie tat es – klingelte an den Türen und stellte sich als Ortegas neue Freundin vor, die sich Sorgen machte, weil sie seit zwei Tagen nichts von ihm gehört hatte und er nicht ans Telefon ging. Die Paare in den Häusern rechter Hand und gegenüber konnten nicht helfen. Ortega hatte zwar seit seiner Scheidung hier gelebt, aber sie wussten sehr wenig über ihn. Das war nicht weiter ungewöhnlich – unnötigen Kontakt mit den Nachbarn zu vermeiden ist eine weitere Methode, wie Paranormale ihre Identität verbergen können.
Aber die Frau in dem linken Nachbarhaus war eine geschiedene Mittvierzigerin, die wahrscheinlich ein Auge auf Ortega geworfen hatte. Nach einem einzigen Blick auf Paige konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, ihr die schlechte Nachricht zu erzählen: Ortega sei durchaus zu Hause gewesen und wahrscheinlich absichtlich nicht ans Telefon gegangen. Sie hatte ihn um halb zehn Uhr an diesem Vormittag zum letzten Mal gesehen. Es war ihr aufgefallen, weil es ungewöhnlich war, dass er so spät zur Arbeit ging. Als sie dann gesehen hatte, dass er Gepäck in den Kofferraum legte, war sie davon ausgegangen, dass er Urlaub mache. Er sei allein weggefahren.
[home]
Hope
Sicherheitsvorgaben
K arl versuchte am Telefon und aus dem Gedächtnis zu beschreiben, was er auf den Blaupausen gesehen hatte, aber Lucas bestand nachvollziehbarerweise darauf, dass er selbst vorbeikommen solle, um ihm alles aufzuzeichnen. Karl ließ sich widerwillig darauf ein.
»Du wolltest ihnen das Ganze hinschmeißen und dann gehen, stimmt’s?«, fragte ich, als er auf die Austaste seines Handys drückte.
»Was hättest du gern, dass ich jetzt antworte, Hope? Soll ich dich wieder anlügen?« Er drehte sich auf dem Absatz um und setzte sich in Bewegung, zurück zu seinem Mietwagen. »Ich nehme mal an, wenn mir wirklich an dir läge, würde ich einfach zusehen, wie du leidest, ohne irgendwas dagegen zu tun. Aber du leidest ja gar nicht, stimmt’s? Du
lernst.
«
»Ich muss lernen, damit umzugehen, Karl. Das hast du selbst gesagt. Du hast mich ermutigt, mich dem Rat anzuschließen …«
»… weil ich gewusst habe, dass du eine ungefährliche Möglichkeit brauchst, Chaos zu genießen und zugleich etwas Gutes zu tun. Und ja, ich ermutige dich auch dazu, dich dem weiterhin auszusetzen. In kleinen Dosen. Wie wenn man über heiße Kohlen geht, um die Fußsohlen abzuhärten. Aber deine Vorstellung davon, wie man lernt, Verbrennungen zu vermeiden? Du wirfst dich auf den Scheiterhaufen und beißt die Zähne zusammen, denn zum Donnerwetter, du wirst beweisen, dass du’s kannst – oder dabei umkommen.«
»Karl, ich …«
Er riss die Beifahrertür auf. »Steig ein, bringen wir’s einfach hinter uns!«
Es wurde eine schweigsame Fahrt zu dem Hotel, in dem Lucas und Paige abgestiegen waren.
Karl verstand nicht, warum ich mir so verzweifelt viel Mühe geben musste, und es war falsch von mir, das von ihm zu verlangen. Er glaubte, ich sei bei diesem Auftrag in Gefahr, und damit gab es in seinen Augen keinen Grund mehr, noch länger mitzumachen. Was sollte es uns scheren, wie es mit diesen Leuten weiterging? Ich hatte meine Pflicht getan,
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