Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
und ich mich auf ihn stürzen wollte, um auf ihn einzudreschen, bis ich ihn nicht mehr erkannt hätte. Bei dem Gedanken, dem blanken Hass darin stieg es mir bitter in die Kehle.
»Du bist wütend. Ich hab’s schon verstanden, und ich kann’s dir nicht übelnehmen. Also, folgendermaßen geht es jetzt weiter – erstens, gib mir deine Handtasche!«
Ich tat es.
»Und jetzt räum die Taschen aus.«
Als er einen Schritt in meine Richtung tat, flogen meine Fäuste nach oben, aber er packte mich am Arm und zerrte mich wieder in den Schatten.
»Langsam«, sagte er. »Du hast Sonny gesehen da vorn, stimmt’s? Er schläft nicht. Er weiß ganz genau, wo dein Freund ist, weil ich ihm nämlich einen laufenden Kommentar in den Ohrstöpsel geliefert habe. Als ich mich das letzte Mal bei ihm gemeldet habe, hat er die Uhr auf drei Minuten Countdown gestellt. Wenn er bis dahin nicht wieder von mir hört, jagt er eine Kugel in den Werwolf. Aus Silber ist sie nicht, aber ich habe gehört, darauf kommt’s in Wirklichkeit auch gar nicht an.«
Ich nahm keine Feindseligkeit in seiner Stimme wahr. Nichts, das nach einer Drohung klang. Einfach nur Jaz, der daherschnatterte wie immer. Der bittere Geschmack war in meinem Mund angekommen. Ich zwang mich dazu, ihn hinunterzuschlucken.
»Was möchtest du, dass ich jetzt tue?«, fragte ich ihn
»Lass mich deine Taschen ausräumen. Versuch nicht, mich anzugreifen oder wegzurennen. Dann gehen wir in diese Richtung.« Er zeigte mit dem Kinn über den Garten hinweg.
»Und dann?«
»Du kommst mit mir.«
Er hörte sich überrascht an – wie konnte ich auch nur fragen. Ich hob die Hände, und er trat so nahe an mich heran, dass ich den Zitrusduft seines Rasierwassers roch und das unterschwellige Schwirren von Chaos auffing, die Aura, die ihn immer umgab und die mich von Anfang an zu ihm hingezogen hatte.
Ich holte tief Atem und ließ ihn meine Taschen ausräumen. Als er fertig war, blickte ich auf und sah sein Gesicht über meinem. Seine Lippen verzogen sich zu jenem fast scheuen Lächeln, das meinen Puls zum Rasen gebracht hatte. Nun hätte ich ihn am liebsten angespuckt. Aber wenn ich in diesem Augenblick den Mund aufgemacht hätte, hätte ich mich wahrscheinlich eher erbrochen.
Ich senkte den Blick. »Bitte, du brauchst das doch nicht zu machen, Jaz. Oder wie du auch immer heißt.«
»Jaz.« Seine Finger legten sich unter mein Kinn, hoben mein Gesicht zu seinem. »Ich heiße Jaz.«
Ich sah ihm in die Augen, und eine Sekunde lang sog das Chaos mich wieder in sie hinein. So rein. So absolut. Wie hatte ich das übersehen können? Nein, nicht übersehen. Weggeschoben. Nur gesehen, was ich hatte sehen wollen.
»Mich zu kidnappen ist doch ganz …«
»Ich kidnappe dich nicht.« Das unbeschwerte Lächeln. »Ich nehme dich einfach nur mit. Wir haben eine Menge zu besprechen, und das hier ist nicht der beste Ort, um es zu tun.«
»Das wird denen aber egal sein, Jaz. Als Geisel bin ich ziemlich unbrauchbar. Irgendeine Angestellte, sie können auf mich verzichten …«
Er klopfte auf seine Armbanduhr. Ich verstummte.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich hätte wahrscheinlich mehr Zeit einplanen sollen, aber wir haben’s ein bisschen eilig. Wenn ich die Abmachung nicht einhalte …«
Ein entschuldigendes Achselzucken, als würden die Folgen dieses Versäumnisses eine Spur lästig ausfallen, mehr aber auch nicht. Ich warf einen Blick über die Schulter. Karl konnte inzwischen nur noch ein paar Meter von Sonny entfernt sein. Vielleicht würde er sich rechtzeitig auf ihn stürzen. Und selbst wenn nicht – würde Sonny ihn wirklich unvorbereitet erwischen? Schließlich hatte Karl längst den Verdacht, dass Sonny kein unschuldiges Opfer war. Wenn ich …
»Hope.« Jaz’ Finger legten sich um meinen Arm. »Fünfzehn Sekunden.«
Ich konnte es nicht riskieren. Ich folgte Jaz bis zum Eingang der Gartenanlage. Er holte ein Funkgerät aus der Tasche und wies Sonny an, noch zu warten.
»Noch warten?«, fragte ich. »Du hast doch gesagt …«
Er hob die Hand. »Sonny steht jetzt auf und geht in Richtung Straße. Wir haben eine Minute, bis dahin müssen wir beim Auto sein. Wenn wir nicht da sind, geht er zurück und erschießt den Werwolf.«
Nicht etwa ›kümmert sich um ihn‹ oder ›erledigt ihn‹. Erschießt ihn. Geradeheraus und ohne einen Versuch der Entschuldigung.
Ich ließ mich von ihm zum Auto führen.
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Lucas
19
P aige hatte eben gewählt, als mein Cousin Javier, VP
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