Nacht der Füchse
stellte sich wieder hinter die Wind schutzscheibe. Er schwenkte den Arm, und der Kübelwagen führte die Kolonne an.
»Was nun?«, wollte Guido wissen.
»Himmel Herrgott, haben Sie denn gar kein poetisches Ge fühl?«, fragte Gallagher. »Wir fahren natürlich hinterher. Ich möchte auf keinen Fall den letzten Akt verpassen!«
Konrad Hofer lag in Septembertide auf seinem schmalen Bett und begann zu stöhnen und sich unruhig hin und her zu wälzen. Das Betäubungsmittel, das der Arzt Martineau gegeben hatte, stammte wie der größte Teil seiner Medikamente aus der Vor kriegszeit – und verlor bei Hofer vorzeitig an Wirkung. Der Mann öffnete die Augen, tastete sich mit der Zunge im trocke nen Mund herum, starrte zur Decke empor und versuchte he rauszufinden, wo er war. Er hatte das Gefühl, aus einem schlechten Traum zu erwachen – aus einem Traum, den er schon vergessen hatte, auch wenn er noch wusste, dass er schrecklich gewesen war. Plötzlich fiel ihm alles wieder ein und er versuchte sich aufzurichten. Dies misslang, stattdessen rollte er aus dem Bett auf den Boden.
Wieder drohten ihm die Sinne zu schwinden, während er
sich langsam aufrappelte und nach der Türklinke griff. Das Zimmer war abgeschlossen. Torkelnd machte er kehrt und ging zum Fenster. Er tastete an der Verriegelung herum, dann gab er den Versuch auf und knallte den Ellenbogen durch die Scheibe.
Das Klirren ließ die beiden Soldaten aufschrecken, die Hauptmann Heider vor dem benachbarten Hinguette postiert hatte. »Hier oben!«, rief Hofer. »Holen Sie mich raus. Ich bin eingeschlossen.«
Er setzte sich auf das Bett, stützte den Kopf in die Hände und versuchte tief durchzuatmen, während er auf der Treppe und im Korridor bereits schwere Schritte hörte. Stimmen er klangen, dann sah er, wie sich der Türgriff bewegte.
»Wir haben keinen Schlüssel, Herr Major!«
»Dann brechen Sie die Tür auf, Sie Dummkopf!«
Gleich darauf schwang die Tür auf und prallte krachend ge
gen die Wand. Die beiden Uniformierten starrten ihn an.
»Holen Sie Hauptmann Heider«, befahl Hofer.
»Der ist fort, Herr Major.«
»Fort?« Hofer fiel das Denken noch schwer.
»Mit dem Generalfeldmarschall, Herr Major. Die ganze Ein
heit ist mitgefahren. Außer uns ist niemand hier.«
Hofer atmete tief durch. »Hat man irgendwelche Fahrzeuge zurückgelassen?«
»Nur einen Kübelwagen, Herr Major«, sagte der Gefreite.
»Können Sie fahren?«
»Selbstverständlich. Wohin möchte der Herr Major?«
»Zum Flughafen«, befahl Hofer. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Helfen Sie mir nach unten.«
16
Die Dunkelheit brach herein, und die Ehrenformation der Luftwaffe wartete geduldig am Flughafen. Die gleiche Offi ziersgruppe, die den Generalfeldmarschall begrüßt hatte, war auch zur Verabschiedung erschienen. Der »Storch« stand hinter der JU 52, die ihren berühmten Passagier fünfzig Meter vom Flughafengebäude entfernt erwartete.
Necker marschierte nervös auf und ab. Immer wieder fragte er sich, was hier vorging. Zuerst die außerordentliche Nach richt von Heider vom Mont de la Rocque wegen der Postma schine – und jetzt dies. Zwanzig Minuten nach acht, und noch immer nichts zu sehen.
Plötzlich waren Motorengeräusche zu hören, das Rasseln von Ketten auf Beton. Er fuhr herum und sah die bewaffnete Kolonne um die Ecke des Hauptgebäudes biegen. Der General feldmarschall stand vorn im Kübelwagen und hielt sich am Rand der Windschutzscheibe fest.
Die Kolonne hielt direkt auf die JU 52 zu. Der Generalfeld marschall winkte Sorsa zu, der aus dem Seitenfenster des Cockpits schaute. Ächzend sprang der mittlere Motor des Flugzeugs an, und Rommel drehte sich um, schwenkte die Ar me und gab Befehle. Soldaten sprangen mit schussbereit erho benen Gewehren aus dem Schützenpanzerwagen. Necker erkannte Heider und sah, wie ein verbundener Seemann von zwei Soldaten aus dem Schützenpanzerwagen geholt und an Bord der JU 52 getragen wurde.
Nur wenige Sekunden waren vergangen. Als Necker sich in Bewegung setzte, kam ihm der Feldmarschall bereits entgegen. Lärmend sprangen nun auch die beiden anderen Motoren der JU 52 an. Necker registrierte verblüfft, dass hinter dem Gene ralfeldmarschall auch Standartenführer Vogel und das französi sche Mädchen aus dem Schützenpanzerwagen stiegen und in die Maschine kletterten.
Baum genoss die Szene. Die Fahrt vom Silvertide-Hotel hierher hatte etwas Berauschendes gehabt. Lächelnd legte er
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