Nacht der Füchse
Necker eine Hand auf die Schulter. »Ich muss mich wirklich entschuldigen, Necker, aber ich musste eingreifen. Der junge Heider war so nett, mir mit seinen Leuten unter die Arme zu greifen. Ein viel versprechender Mann.«
Necker war ratlos. »Aber Herr Generalfeldmarschall…«, wandte er ein.
Baum ließ sich nicht aufhalten. »Der oberste Sanitätsoffizier des Krankenhauses berichtete mir von dem jungen Seemann, der neulich nachts bei einem Konvoiangriff verwundet wurde und dringend in Rennes von einem Spezialisten für Verbren nungen behandelt werden muss. Er bat mich, ihn mitzunehmen. In dem Zustand, in dem er sich befindet, hätten wir ihn mit dem ›Storch‹ nicht befördern können. Deshalb brauche ich die Postmaschine.«
»Und Standartenführer Vogel?«
»Der wollte sowieso morgen nach Frankreich zurückkehren – da kann ich ihn und die junge Frau gleich mitnehmen.« Wie der versetzte er Necker einen Schlag auf die Schulter. »Aber wir müssen jetzt los. Ich bedanke mich nochmals für alles, was Sie für uns getan haben. Ich werde mich natürlich mit General von Schmettow in Verbindung setzen und ihm mitteilen, dass ich mit den Verhältnissen auf Jersey völlig zufrieden bin.«
Er grüßte und bestieg das Flugzeug. »Aber was ist mit Major Hofer, Herr Generalfeldmarschall?«
»Der müsste jeden Moment hier sein«, antwortete Baum. »Er fliegt im ›Storch‹, wie vorgesehen. Der Pilot des Postflugzeugs kann das übernehmen.«
Er verschwand in der Maschine, der Flugbegleiter zog die Leiter ein und schloss die Tür. Die JU 52 rollte zum östlichen Ende des Flugfeldes und machte kehrt. Die drei Motoren brüll ten auf, die Maschine nahm Fahrt auf, wurde schneller, ein Umriss in der zunehmenden Dunkelheit, dann stieg sie auf und
verschwand im Steigflug über der St.-Ouen’s-Bucht.
Guido hatte den Morris einige hundert Meter vor dem Flugha fen angehalten und war mit Gallagher ausgestiegen. Trotz der Entfernung sahen sie die JU 52 in den Abendhimmel steigen, dem westlichen Horizont entgegen, der noch in rotes Licht ge taucht war.
Das Motorengebrumm verhallte, und Guido sagte leise: »Mein Gott, sie haben’s wirklich geschafft!«
Gallagher nickte. »Wir können nach Hause fahren und für die kommenden Verhöre unsere Aussagen abstimmen.«
»Das ist kein Problem«, antwortete Guido, »wenn wir nur al
le zusammenhalten. Schließlich bin ich ein echter Kriegsheld – und das ist in einer solchen Situation immer günstig.«
»Genau das mag ich an Ihnen, Guido – Ihre liebenswerte Be
scheidenheit«, sagte Gallagher. »Jetzt los, sonst macht sich Helen noch Sorgen.«
Sie stiegen ein und fuhren zurück. Kurze Zeit später kam ih nen ein Kübelwagen entgegen, so schnell, dass sie Hofer, der hinten saß, nicht erkannten.
Die meisten Offiziere hatten den Flughafen bereits verlassen. Necker stand noch neben seinem Wagen und sprach mit Hauptmann Adler, dem kommandierenden Luftwaffenoffizier, als der Kübelwagen um das Hauptgebäude raste und mit quiet schenden Bremsen hielt. Sie drehten sich um. Hofer ließ sich von zwei Soldaten aus dem Fahrzeug helfen.
Necker wusste sofort, dass es Ärger gab. »Hofer? Was ist?«
Hofer ließ sich gegen den Kübelwagen sinken. »Sind Sie fort?«
»Vor knapp fünf Minuten. Der Generalfeldmarschall hat das Postflugzeug genommen. Er sagte, Sie würden ihm mit dem ›Storch‹ folgen. Er hat seinen eigenen Piloten genommen.«
»Nein!«, rief Hofer. »Nicht der Generalfeldmarschall!«
Neckers Magen krampfte sich zusammen. In den letzten bei
den Tagen hatten ihn viele Kleinigkeiten gestört… Er atmete tief durch. »Was soll das heißen?«
»Dass der Mann, den Sie für Generalfeldmarschall Rommel gehalten haben, ein Doppelgänger ist, ein mieser Verräter na mens Berger, der sich mit dem Feind zusammengetan hat. Es wird Sie überdies freuen zu erfahren, dass Standartenführer Vogel ein Agent der SOE ist, der Britischen Zentrale für Son dereinsätze. Das Mädchen übrigens auch. Der verwundete Seemann ist ein amerikanischer Oberst.«
Necker hatte inzwischen völlig die Übersicht verloren. »Ich begreife das alles nicht.«
»Im Grunde ganz einfach«, sagte Hofer. »Die Burschen sind mit der Postmaschine unterwegs nach England.« Plötzlich fiel ein Teil der Benommenheit von ihm ab, und er richtete sich auf. »Natürlich müssen wir sie abfangen.« Er wandte sich an Adler. »Geben Sie eine Funkmeldung nach Cherbourg durch. Fordern Sie
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