Nacht der Füchse
»Holen Sie den Morris, wir fahren zum Silvertide.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Guido.
»Keine Ahnung – aber ich kann nicht einfach rumsitzen und warten!«
Martineau bremste vor dem Eingang von Septembertide. Er half Kelso aus dem Wagen, und der Amerikaner folgte ihm langsam auf Krücken. Der Gefreite öffnete die Tür. Als sie über die Schwelle traten, kam Baum aus dem Wohnzimmer.
»Da sind Sie ja, Vogel! Dies ist der junge Mann, von dem Sie mir erzählt haben?« Er wandte sich an den Gefreiten. »Ab treten! Ich rufe Sie, wenn ich Sie wieder brauche.«
Baum gab den Weg frei, und Kelso humpelte an ihm vorbei ins Zimmer. »Der Plan muss geändert werden«, sagte Marti neau. »Eben erschien Müller auf dem De-Ville-Anwesen und wollte mich sprechen. Ich war zufällig im richtigen Moment nicht zur Stelle – leider hat er sich Sarah geschnappt und mit ins Silvertide genommen.«
»Lassen Sie mich raten«, erwiderte Baum. »Sie wollen hin fahren und sie retten.«
»Etwas in der Art.«
»Und was ist mit uns?«
Martineau schaute auf die Uhr. Es war kurz nach 19 Uhr.
»Sie und Kelso halten sich an den vereinbarten Zeitplan. Wich tig ist vor allem, dass wir ihn von der Insel schaffen.«
»Also, da habe ich doch ein Wörtchen mitzu…«, brauste Kelso auf, aber Martineau hatte das Zimmer bereits verlassen.
Mit aufheulendem Motor raste der Kübelwagen aus dem Hof. Als Kelso sich umdrehte, war Baum damit beschäftigt, sich einen Cognac einzuschenken, den er mit langsamen Schlucken trank. »Sehr gut!«
»Was geht hier vor?«, wollte der Amerikaner wissen.
»Ich meinte Martineau«, erklärte Baum. »Ich hätte gleich wissen müssen, dass unter der zynischen Fassade doch ein menschliches Wesen steckt, ein Mann, der das Mädchen nicht im Stich lassen würde. Ich war in Stalingrad, wussten Sie das? Ich habe von Helden ein für alle Mal die Nase voll.«
Er legte den Ledermantel um, zog Handschuhe an, warf sich das weiße Halstuch um, rückte die Mütze zurecht und ergriff seinen Stab.
»Was haben Sie vor?«, fragte Kelso.
»Martineau meint, der wichtigste Aspekt meiner Rolle als Generalfeldmarschall Erwin Rommel wäre, dass jeder genau das tut, was ich befehle. Nun werden wir feststellen, ob er Recht hatte. Sie bleiben hier.«
Mit energischen Schritten ging er über den Hof zur Straße. Die Männer, die sich um den Schützenpanzerwagen scharten, nahmen Haltung an. »Jemand soll Hauptmann Heider holen.«
Baum füllte seine Zigarettenspitze. Ein Feldwebel sprang vor und gab ihm Feuer. Sekunden später eilte Heider herbei. »Herr Generalfeldmarschall?«
»Lassen Sie sich mit dem Flughafen verbinden. Nachricht an Major Necker. Ich werde etwas später kommen als geplant. Sagen Sie ihm auch, dass ich nicht in meinem ›Storch‹ nach Frankreich zurückkehre, sondern mit dem Postflugzeug. Es muss startbereit sein, wenn ich eintreffe, und mein persönlicher Pilot soll es fliegen.«
»Zu Befehl, Herr Generalfeldmarschall!«
»Ausgezeichnet. Die gesamte Eskorte soll sich für den Ab marsch bereithalten, in fünf Minuten. Im Haus finden Sie einen verwundeten Seemann. Zwei Mann schaffen ihn vorsichtig in den Schützenpanzerwagen. Sie sollen auch den Gefreiten mit bringen, den Sie mir ausgeliehen haben. Es wäre sinnlos, ihn in der Küche stehen zu lassen.«
»Aber, Herr Generalfeldmarschall, aber das verstehe ich nicht«, sagte der Hauptmann.
»Das werden Sie schon noch«, sagte der Generalfeldmar schall. »Keine Sorge. Nun geben Sie die Nachricht zum Flug hafen durch.«
Müller hatte in seinem Büro die Gardine zugezogen. Sarah saß auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch, presste die Knie zu sammen und verschränkte die Hände im Schoß. Man hatte ihr den Mantel abgenommen, dessen Futter von Greiser abgetastet wurde, während Müller die Handtasche durchwühlte.
»Sie sind also aus Paimpol?«, fragte er.
»Stimmt.«
»Für ein bretonisches Mädchen aus einem Fischerdorf tragen Sie aber vornehme Kleidung.«
»Ah, die Kleine ist doch herumgekommen, stimmt das nicht?«, fragte Greiser und fuhr ihr mit den Fingern über den Nacken, dass sie eine Gänsehaut bekam.
»Wo haben Sie Standartenführer Vogel kennen gelernt?«, fragte Müller.
»In Paris.«
»In Ihren Papieren steht kein Visum für Paris.«
»Das hatte ich mal. Es ist abgelaufen.«
»Hat man Ihnen schon mal vom Cherche Midi oder dem Frauengefängnis in Troyes erzählt? Schlimme Orte – völlig ungeeignet für eine junge Frau wie
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