Nacht der Füchse
Vorbereitungen, Konrad, dann wollen wir von hier verschwinden.«
Das Häuschen war aus den gleichen Granitblöcken gebaut wie das Haupthaus. Größter Raum war ein Wohnzimmer mit Holzbalkendecke; hier stand in einer Fensternische der Esstisch mit einem halben Dutzend Stühle. Die Küche lag auf der ande ren Seite des Flurs. Oben befanden sich ein großes Schlafzim mer, ein Lagerraum und ein Badezimmer.
Gallagher hatte sich die Treppe nicht zugetraut, sondern Kel so im Wohnzimmer auf ein langes, bequemes Sofa gebettet. Der Amerikaner war noch immer bewusstlos. Gallagher erta stete seine Brieftasche und öffnete sie. Militärausweis mit Foto, Schnappschüsse von einer Frau und zwei Mädchen, offenbar die Angehörigen, und zwei Briefe, die so eindeutig privat wa ren, dass Gallagher sie sofort wieder zusammenfaltete. Er hörte Helens Stimme, die in der Küche telefonierte. Da öffnete Kelso plötzlich die Augen, starrte ihn ausdruckslos an und bemerkte dann die Brieftasche in Gallaghers Hand.
»Wer sind Sie?« Er griff ziellos danach. »Geben Sie her.«
Helen trat ein, setzte sich auf das Sofa und legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Alles geregelt. Sie müssen nur ruhig lie gen bleiben. Das Fieber zehrt Sie ja förmlich auf. Erinnern Sie sich an mich, Helen de Ville?«
Kelso nickte langsam. »Die Frau am Strand.«
»Dies ist ein Freund von mir, General Sean Gallagher.«
»Ich habe mir gerade seine Papiere angesehen«, sagte Gal lagher zu ihr. »Der Ausweis ist ein bisschen nass. Ich lasse ihn draußen, damit er trocknen kann.«
»Wissen Sie noch, wo Sie sind?«, wandte sie sich an Kelso. »Auf Jersey.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Keine Angst – ich habe noch nicht völlig den Verstand verloren. Wenn ich mich konzentriere, kann ich noch logisch denken.«
»Also gut, dann hören Sie zu«, sagte Sean Gallagher. »Ihr Bein sieht schlimm aus. Sie müssen dringend ins Krankenhaus zu einem guten Chirurgen.«
Kelso schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Wie ich dieser Da me schon sagte, dürfen mich die Deutschen nicht in die Finger bekommen. Da wäre es besser, mich zu erschießen.«
»Warum?«, wollte Sean Gallagher wissen.
»Sie hat Sie General genannt. Stimmt das?«
»Ich war General in der irischen Armee und habe im letzten Krieg bei den Briten gedient. Macht das einen Unterschied?«
»Vielleicht.«
»Na schön, zu welcher Einheit gehören Sie?«
»Pioniere – Angriffspioniere. Wir bereiten Küstenlandungen vor.«
Sean Gallagher wusste sofort Bescheid. »Die Invasion?«
Kelso nickte. »Steht unmittelbar bevor.«
»Das ist allgemein bekannt«, bemerkte Gallagher.
»Ja, aber ich weiß, wo und wann. Können Sie sich vorstel len, was es bedeuten würde, wenn die Deutschen das aus mir herausbekämen? Alle Abwehrkräfte am richtigen Ort konzen triert. Wir kämen nie vom Strand weg.«
Er war sehr erregt. Seine Stirn leuchtete vor Schweiß. Helen beruhigte ihn. »Es wird alles gut werden, das verspreche ich Ihnen.«
»Kommt George Hamilton?«, erkundigte sich Gallagher.
»Er war unterwegs. Seiner Haushälterin habe ich gesagt, du brauchst ihn dringend, weil du dich am Bein verletzt hast und wohl genäht werden müsstest.«
»Wer ist Hamilton?«, fragte Kelso.
»Ein Arzt«, erwiderte Helen. »Und ein enger Freund von uns. Er ist bald hier und kümmert sich um Ihr Bein.«
Kelso wurde wieder vom Fieber übermannt und begann zu zittern. »Habe an wichtigere Sachen zu denken. Sie müssen sich sofort an den hiesigen Widerstand wenden. Die Leute sol len sich ans Funkgerät setzen und den Geheimdienst in London verständigen, dass ich hier bin. Man muss versuchen, mich rauszuholen.«
»Aber es gibt auf Jersey keine Widerstandsbewegung«, sagte Helen. »Ich meine, natürlich gibt’s hier viele Leute, denen die Besetzung zuwider ist und die dem Feind das Leben möglichst schwer machen – aber nichts, was sich mit der französischer Résistance vergleichen ließe, wenn Sie das meinen.«
Kelso starrte sie verblüfft an, und Gallagher fügte hinzu: »Die Insel ist ungefähr fünfzehn Kilometer lang und acht Ki lometer breit. Mit etwa fünfundvierzigtausend Zivilisten ist das ein besserer Marktflecken, mehr nicht. Wie lang würde sich der Widerstand halten – was meinen Sie? Keine Berge, in denen man sich verstecken könnte, keine sonstigen unzugänglichen Gebiete. Genau genommen nichts!«
Kelso schien Mühe zu haben, die Situation zu begreifen. »Es gibt also keinen Widerstand. Keine
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