Nacht der Füchse
Funkgeräte?«
»Keine Verbindung nach London«, bestätigte Gallagher.
»Und Frankreich?«, fragte Kelso verzweifelt. »Granville, St. Malo? Die liegen doch nur wenige Schiffsstunden entfernt, oder? Dort muss es doch Gruppen der Resistance geben.«
Es trat ein viel sagendes Schweigen ein, dann wandte sich Helen an Gallagher. »Savary könnte in Granville mit den rich tigen Leuten sprechen. Er kennt sie – und du ebenfalls.«
»Ja.«
»Als ich vom Strand zurückkam, brach Guido auf«, fuhr sie fort. »Er sagte, man will heute Nachmittag einen Vorstoß nach Granville machen. Um den Nebel auszunutzen.« Sie schaute auf die Uhr. »Hochwasser haben wir erst gegen Mittag. Du könntest den Lieferwagen nehmen und die bereitliegenden Kartoffelsäcke nach St. Helier zur Truppenversorgung und auf den Markt bringen.«
»Schon überredet«, sagte Gallagher. »Aber wenn ich Savary richtig einschätze, will er mit solchen Dingen nichts zu tun haben, jedenfalls nicht aus erster Hand. Das heißt, dass wir alles aufschreiben müssten, und das ist verdammt riskant.«
»Wir haben keine andere Wahl, Sean«, sagte sie schlicht.
»Ja, ich glaube, du hast Recht.« Gallagher lachte. »Ach, was
ich alles für England mache! Kümmere dich um unseren Freund. Ich komme so schnell wie möglich zurück.«
Er war schon an der Tür, da rief sie: »Sean?«
Er drehte sich um. »Ja?«
»Vergiss nicht, rechts zu fahren.«
Der Witz hatte einen Bart, war aber nicht ganz unangebracht. Nach der Besetzung Jerseys hatten die Besatzungstruppen als Erstes verfügt, dass der Verkehr nicht mehr auf der linken, sondern auf der rechten Straßenseite zu fließen habe. Nach vier Jahren hatte sich Gallagher noch immer nicht daran gewöhnt, zumal er nicht oft fuhr. Den alten Ford-Lieferwagen durfte er auf Sonderschein behalten, weil der landwirtschaftliche Betrieb der de Villes den deutschen Streitkräften Lebensmittel lieferte. Die knappe Benzinration verhinderte ohnehin, dass der Wagen in der Woche mehr als zwei- oder dreimal benutzt wurde. Gal lagher nutzte jeden Tropfen, indem er die Berge mit abgeschal tetem Motor hinabrollte, außerdem war auf dem Schwarzmarkt immer ein wenig Benzin zu haben, wenn man die richtigen Leute kannte.
Er fuhr durch das winzige, malerische St. Aubin und folgte der Bucht nach Bei Royal. In der Ferne war bereits St. Helier zu sehen. Unterwegs kam er an mehreren Artilleriestellungen vorbei, in deren Umfeld sich Soldaten bewegten, doch anson sten zeigte sich die Victoria Avenue verlassen. Einer der fran zösischen Züge, die die Deutschen auf die Insel geholt hatten, kam ihm an der Straße nach Millbrook entgegen – das einzige Zeichen von Leben, ehe er das Grand Hotel erreichte. Er schaute auf die Uhr. Es war kurz vor elf. Da er noch gut Zeit hatte, Savary zu sprechen, ehe die Victor Hugo nach Granville ablegte, bog er nach links in die Gloucester Street ein und fuhr zum Markt.
Es waren nicht viele Leute unterwegs, hauptsächlich wegen des Wetters. Die rotschwarze Hakenkreuzfahne hing schlaff über dem Rathauseingang. Aus dem deutschen Wort »Rathaus« war bei den Einheimischen längst »Rattenhaus« geworden.
Gallagher stellte den Wagen vor der Markthalle in der Beres ford Street ab. Es waren nur eine Hand voll Besucher und deut sche Soldaten zu sehen. Offiziell war der Markt geschlossen, die Öffnungszeiten auf zwei Stunden am Samstagnachmittag begrenzt. Dann würde hier allerdings großes Gedränge herr schen, denn jeder hoffte natürlich auf frisches Gemüse und Obst.
Gallagher lud zwei Säcke Kartoffeln vom Wagen, stieß das Tor auf und trat ein. Die meisten Verkaufsstände in der alten viktorianischen Markthalle waren leer, nur wenige Leute arbei teten. Er marschierte zur anderen Seite und dort auf eine Bude mit der Aufschrift D. Chevalier zu, vor der ein großer, lie benswürdig aussehender Mann in dickem Pullover stand, eine Stoffmütze auf dem Kopf, und weiße Rüben aufreihte.
»Aha, heute gibt’s Rüben?«, fragte Gallagher.
»Gut für Sie, General«, erwiderte Chevalier.
»Meinen Sie! Mrs. Vibert hat mir erst neulich Rübenmarme lade zum Frühstück vorgesetzt.« Gallagher schüttelte sich. »Den Geschmack habe ich heute noch auf der Zunge. Zwei Säcke Kartoffeln hab ich für Sie.«
Chevaliers Augen begannen zu leuchten. »Ich wusste doch, dass Sie mich nicht enttäuschen würden, General! Nach hin ten.«
Gallagher schleppte seine Last in den rückwärtigen Raum, und Chevalier
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