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Nacht der Füchse

Titel: Nacht der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Kaufmann. »Anhalten.«
    Karl fuhr an den Straßenrand und bremste. Der Kradfahrer hielt vor dem Wagen. Er bockte die Maschine auf, und Karl stieg aus. »Was können wir für Sie tun?«
    Aus der Seitentasche des Regenmantels hob sich eine Hand mit einer halbautomatischen Mauser-Pistole. Der Mann schoss Karl direkt ins Herz. Der Fahrer prallte gegen den Citroen und sank zu Boden. Der SS-Mann drehte ihn mit dem Stiefel um und schoss ihm noch einmal zwischen die Augen. Dann öffnete er die hintere Autotür.
    Kaufmann war niemals unbewaffnet unterwegs; heute aber hatte er seinen Mantel ausgezogen und säuberlich in der Ecke zusammengefaltet. Seine Hand schloss sich um die Luger in der rechten Tasche, als der SS-Mann ihn in den Arm schoss. Kaufmann umklammerte seinen Ärmel, Blut sickerte zwischen den Fingern hervor.
    »Wer sind Sie?«, rief er heftig. Der andere schob die Schutz­ brille hoch, und Kaufmann starrte in die dunkelsten, kältesten Augen, die er je gesehen hatte.
    »Ich heiße Martineau. Ich bin Major in der britischen Armee und diene in der SOE.«
    »Sie sind also Martineau.« Kaufmann verzog das Gesicht vor Schmerzen. »Ihr Deutsch ist ausgezeichnet. Fehlerfrei.«
    »Kein Wunder«, antwortete Martineau. »Meine Mutter war Deutsche.«
    Kaufmann sagte: »Ich habe mir schon lange gewünscht, Sie kennen zu lernen, aber unter anderen Umständen.«
    »Das glaube ich Ihnen gern. Auch ich bin schon seit langem hinter Ihnen her. Genau genommen seit 1938, Sie waren im Mai 38 Hauptmann im Gestapo-Hauptquartier in Berlin. Da­ mals verhafteten Sie eine junge Frau namens Rosa Bernstein. Vermutlich erinnern Sie sich gar nicht an sie.«
    »Aber ich erinnere mich sehr gut!«, rief Kaufmann. »Sie war Jüdin und arbeitete für den sozialistischen Untergrund.«
    »Man hat mir gesagt, als Sie mit ihr fertig waren, konnte sie nicht mal mehr aus eigener Kraft vor das Erschießungskom­ mando treten.«
    »Das stimmt nicht. Ein Erschießungskommando war nicht beteiligt. Sie wurde im Keller Nummer 3 gehängt. Das übliche Verfahren. Was bedeutete sie Ihnen?«
    »Ich liebte sie.« Martineau hob die Pistole.
    »Seien Sie kein Dummkopf!«, rief Kaufmann. »Wir können uns einigen. Ich kann Ihnen das Leben retten, Martineau, das müssen Sie mir glauben.«
    »Ach, wirklich?«, fragte Martineau und tötete den Mann mit einem Schuss zwischen die Augen.
    Er schob das schwere Motorrad vom Ständer und fuhr los. Er war völlig ruhig – leer. Er empfand nichts. Das Problem war, dass er Rosa Bernstein mit seiner Tat nicht wieder lebendig machen konnte – aber das war sowieso unmöglich.
    Gut eine Stunde lang fuhr er über verschiedene Feldwege vorwiegend in westlicher Richtung. Schließlich bog er in einen schmalen Karrenweg ein, der von hohem Gras beinahe über­ wuchert war. Das Bauernhaus am Ende hatte schon bessere Zeiten gesehen; hier und dort waren Fenster zerbrochen und fehlten Schindeln. Martineau stieg von der Maschine, klappte den Ständer herunter und ging zur Vordertür.
    »He, Pierre, aufmachen!« Er versuchte den Riegel anzuhe­ ben, dann hämmerte er mit der Faust gegen das Holz. Die Tür öffnete sich so plötzlich, dass er in die Knie brach.
    Der Lauf einer Walther-Pistole zeigte zwischen seine Augen. Der Mann, der die Waffe hielt, war etwa vierzig Jahre alt und trug Baskenmütze, Kordjacke und Drillichhosen wie ein fran­ zösischer Landarbeiter, sprach aber fehlerfreies Deutsch. »Bitte stehen Sie auf, Major Martineau, kommen Sie langsam her­ ein.«
    Er folgte Martineau durch den Korridor in die Küche. Dort saß Pierre Duval am Tisch. Man hatte ihn an den Stuhl gefes­ selt und mit einem Taschentuch geknebelt. Blut strömte ihm über das Gesicht, die Augen waren weit aufgerissen.
    »Hände an die Wand, Beine breit«, forderte der Deutsche, durchsuchte Martineau geschickt und nahm ihm MPi und Mauser-Pistole ab.
    Dann begab er sich zu dem altmodischen Telefon an der Wand und nannte der Vermittlung eine Nummer. Nach einer Welle sagte er: »Hier Schmidt. Er ist aufgetaucht. Ja, Marti­ neau.« Der Mann nickte. »Gut. In einer Viertelstunde.«
    »Ein Freund von Ihnen?«, fragte Martineau.
    »Eigentlich nicht. Ich bin von der Abwehr. Kramer heiße ich. Das da eben war die Gestapo. Mir liegen diese Schweine nicht mehr als Ihnen, aber wir müssen alle unsere Pflicht tun. Runter mit Helm und Regenmantel! Machen Sie es sich gemüt­ lich.«
    Martineau gehorchte. Draußen brach der Abend herein, es wurde spürbar dunkler im Haus.

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