Nacht der Füchse
im Moment ziemlich unterbelegt«, fuhr Martineau fort. »So ungelegen es Ihnen auch kommen mag, die Sache ist entschieden. Wenn Sie also so nett wären, uns ein passendes Zimmer zuzuweisen.«
Helen konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so wütend gewesen war – über das eiskalte Selbstbewusstsein des Man nes, seine SS-Uniform, über das dumme Ding mit dem zer strubbelten Haar, das ihn begleitete.
Hastig sagte Guido: »Also, ich gehe jetzt baden und schlafe mich aus. Bis später.«
Die Tür fiel hinter ihm zu. Gallagher stand mit dem Messer in der Hand am Spülbecken. Helen schob ihn zornig zur Seite und wusch sich das Kartoffelmehl von den Händen. Aus den Augenwinkeln sah sie den Offizier und das Mädchen an der Tür stehen.
Eine leise Stimme sagte plötzlich: »Tante Helen, erkennst du mich nicht wieder?« Helen erstarrte. Erstaunt schaute Gallag her über die Schulter. »Onkel Sean?« Und als Helen sich um drehte: »Ich bin’s, Tante Helen, Sarah!«
Helen ließ das Handtuch fallen, trat vor, fasste das Mädchen an den Schultern und schaute sie forschend an. Als sie das Ge sicht erkannte, schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie lachte unsicher und fuhr Sarah mit den Fingern durch das Haar.
»Oh, mein Gott, Sarah, was hat man dir angetan!« Und schon lagen sich die beiden in den Armen.
»Und was passiert nun?«, fragte Hugh Kelso. »Ihr beide habt offenbar schon größte Probleme gehabt, nach Jersey zu kom men – wie geht es nun weiter?«
»Zunächst nimmt Sarah ein heißes Bad«, sagte Helen de Vil le. »Ihr drei könnt unterdessen in aller Ruhe beraten.«
»Ich habe mir etwas überlegt«, sagte Gallagher, »Mrs. Vibert kommt heute Nachmittag. Vielleicht wäre es gut, ihr ein paar Tage frei zu geben.«
»Du hast Recht«, meinte Helen. »Übernimm du das.«
Die beiden Frauen verließen das Zimmer, und Kelso fragte: »Was passiert jetzt?« Seine Stimme klang ungeduldig.
»Ich bin doch eben erst angekommen, guter Freund«, sagte Martineau. »Lassen Sie mich erst zu Atem kommen. Wenn es Zeit wird zum Handeln, erfahren Sie das als Erster.«
»Schließt das eine Kugel in den Kopf ein, Colonel?«, wollte Kelso wissen. »Sollte die Entscheidung so aussehen – reden wir dann vorher darüber, oder passiert es einfach?«
Martineau ersparte sich die Antwort. Er verschwand nach unten und wartete im großen Schlafzimmer, bis Gallagher ihm folgte. Der Ire schloss die Geheimtür und zuckte die Achseln. »Er hat Schlimmes erlebt, und das Bein tut sehr weh.«
»Auf die eine oder andere Weise müssen wir alle mit Schmerzen fertig werden«, bemerkte Martineau.
Er wollte die Tür zum Flur öffnen, da legte ihm Gallagher eine Hand auf die Schulter. »Hat er etwa Recht? Mit der Kugel in den Kopf, meine ich.«
»Möglich«, sagte Martineau. »Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln, ja? Jetzt hätte ich auch Lust auf ein Bad.«
Dougal Munro war in seiner Londoner Wohnung gerade mit dem Frühstück fertig, als Jack Carter eintrat. »Nachrichten we gen Jerseyman – gute und schlechte.« »Fangen Sie mit den schlechten an, Jack.« »Wir haben von Cresson gehört. Es ist alles planmäßig gelaufen. Martineau und Sarah haben Granvil le gestern Abend verlassen.«
»Und?«
»Eine zweite Meldung von Cresson besagt, dass der Konvoi wohl in Schwierigkeiten geraten ist. Torpedoboot-Angriff. Konkretes war drüben nicht bekannt.«
»Wissen Sie mehr?«
»Ich habe mich beim Marine-Geheimdienst erkundigt. Of
fenbar wurde der Konvoi gestern von Torpedobooten der Kö niglich Niederländischen Marine angegriffen, Heimathafen Falmouth. Ein Frachter soll versenkt worden sein, ehe die Be gleitschiffe eingreifen konnten.«
»Himmel, Jack, Sie wollen doch nicht behaupten, dass Harry und die junge Drayton auf diesem Schiff waren?«
»Wir wissen es nicht, Sir, außerdem gibt es keine Möglich keit, Gewissheit zu erlangen.«
»Völlig richtig – also hören Sie auf, sich deswegen Sorgen zu machen. Hier, trinken Sie eine Tasse Tee. Wissen Sie, was mit Ihnen nicht stimmt?« Munro griff nach einem Toast. »Sie sind nicht genug zuversichtlich.«
Mit selbst gemachter weicher Seife, die Helen ihr zur Verfü gung gestellt hatte, wusch Sarah sich die Haare. Trotzdem blieb die Frisur unansehnlich, und als Helen das Badezimmer betrat, sagte sie: »Es nützt nichts, du musst zum Frisör.«
»Ist so etwas denn noch möglich?«
»Durchaus – in St. Helier. Im Großen und Ganzen sind die Läden
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