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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Hieb musste sie getötet haben. Hätte er es nicht getan, hätte Abby geschrien, und Bridget oder ich selbst hätten es gehört. Aber der Mörder hatte nach dem ersten Hieb nicht abgelassen. Ich sah zehn, zwanzig, vielleicht noch mehr Wunden tiefe Wunden. Die Wut, die hinter diesem Mord gesteckt haben musste, die unbändige Rage . . . ich stand da und starrte auf den Körper hinunter, und ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie viel Hass hier am Werk gewesen sein musste.
    »Wer?«, fragte ich, während ich mich nach Kristof umsah.
    Als unsere Blicke sich trafen, war mir klar, dass die Antwort offensichtlich war. Vollkommen offensichtlich. Aber ich dachte daran, wie Lizzie oben an der Treppe gestanden und über Bridgets Kampf mit der Tür gelacht hatte, wie sie gelassen Taschentücher gebügelt hatte, während ihre Stiefmutter tot im Gästezimmer lag. Von einer solchen Rage zu solcher Ruhe innerhalb weniger Minuten es war unvorstellbar. Was für ein Ungeheuer . . .
    Ich sah noch einmal zu Abby hinüber. Und als ich es tat, kam mir ein alberner kleiner Reim aus meiner Kinderzeit in den Sinn.
    Lizzie Borden mit dem Beile
    Hackt Mama in vierzig Teile.
    Das Ergebnis freut sie sehr
    »Oh, Mist!«, sagte ich und stürzte zur Treppe.
    Ich nahm zwei Stufen auf einmal und sprang am Fuß der Treppe durch die geschlossene Tür.
    Lizzie stand im Mantel ihres Vaters neben dem Sofa, auf dem Andrew schlief, den Rücken zu mir gewandt. Ich sah, wie sie ein blutiges Beil hob und es niedersausen ließ.
    Bei Papa wird’s ein Teil mehr.

    19
    W ir standen da und starrten, während Lizzie Borden den Kopf ihres Vaters in Stücke hackte. Dann legte sie das Beil zur Seite. Ihre Augen schlossen sich, und ihr Körper wurde steif, während sie sich auf die Zehenspitzen hob.
    Kristof stieß mich an.
    »Sieh mal«, flüsterte er.
    Dort auf dem Sofa lag Andrew Borden, unblutig und unversehrt, und las die Morgenzeitung. Lizzie war bis zur Verbindungstür zwischen Küche und Salon zurückgewichen. Einen Augenblick lang sah sie verwirrt aus; dann kam sie herein, ihre Stickarbeit in der Hand.
    Jemand klingelte an der Tür.
    »Wer ist das um diese Tageszeit?«, knurrte Andrew, während er die Zeitung auf den Fußboden warf.
    »Ich gehe hin, Vater.«
    »Nein. Geh deiner Mutter helfen.«
    Lizzie nickte, legte die Handarbeit hin und verschwand in die Küche.
    Im Vorraum riss Andrew die Haustür auf und bellte einen kurzen Gruß an den Mann hin, der dort stand der Arzt, den wir vorhin von draußen gesehen hatten.
    »Ich wollte nur schnell vorbeisehen und fragen, ob es Ihrer Familie bessergeht«, sagte er gerade.

    »Bessergeht?«
    »Ja, Ihre Frau ist vorhin vorbeigekommen und hat gesagt, Sie alle hätten vor Magenschmerzen nicht schlafen können . . . «
    »Es fängt von vorn an«, sagte ich. »Haben wir irgendwas verpasst? Spielen die Parzen mir das gleiche Stück noch mal vor?«
    »Jemand spielt es noch einmal, aber ich glaube nicht, dass es deinetwegen passiert.«
    Andrew kam ins Zimmer zurückgestürmt und fuhr Frau und Tochter gereizt an. Sekunden später rannte Bridget vorbei, die Hand auf den Mund gepresst. Ich wollte ihr folgen, aber Lizzie stand in der Tür und spähte in die Küche. Ich ging weiter
    und prallte gegen sie, ein so harter Aufprall, dass ich zurücktorkelte.
    »Sie ist real«, sagte ich über die Schulter zu Kristof.
    Ohne auf seine Reaktion zu warten, ging ich quer durchs Zimmer und streckte den Arm nach Abby und Andrew aus.
    Meine Hand glitt durch beide hindurch. Ich war es, die hier einen Körper hatte. Sie waren die Geister.
    »Lizzie ist wirklich da«, sagte ich. »Aber nur sie.«
    Kristof nickte, als sei er schon vor mir auf diese Erklärung gekommen.
    »Aber dann müsste ich mit ihr reden können. Vorhin habe ich etwas in ihren Augen gesehen «
    »Sie hat dich angesehen.«
    »Ja, aber ich glaube, ich habe auch noch etwas von der Nixe gesehen. Lizzie Borden muss eine ihrer Partnerinnen gewesen sein. Offensichtlich wollen die Parzen, dass ich mit ihr rede, also «

    Kristof legte mir eine Hand auf den Arm.
    »Nichts überstürzen«, murmelte er. »Warte, bis sie sich wieder hingesetzt hat.«
    Als Lizzie mit ihrer Stickerei wieder auf dem Sofa saß, ließ ich mich neben sie plumpsen.
    »Ich weiß, dass du mich hören kannst«, sagte ich.
    Sie stickte weiter, die Nadel glitt durch den Stoff und zog ein Rinnsal aus blauem Garn nach.
    »Sieh mal « , begann ich.
    »Warte«, sagte sie.
    Sie sah zu ihrem Vater auf, der sich

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