Nacht der Geister
zusätzliche Scheite für sein privates Höllenfeuer.« Er winkte mich neben sich auf den Grabstein. »Deine Nixe hat dieser Cheri also sowohl ein Vorbild als auch eine Gebrauchsanweisung geliefert. Wieder ein Pärchen, das Teenager umbringt, aber mit genug Veränderungen im Vorgehen, um die Sache für die Nixe interessant zu machen.«
»Nicht einfach nur interessant. Cheri hat ihrem Mann erzählt, bei Suzanne Simmons wäre etwas schiefgegangen, aber das Problem wäre behoben worden.«
»Sie verfeinert also ihre Methoden. Und sie ist von Simmons über Cheri MacKenzie zu Amanda Sullivan gezogen, wahrscheinlich mit noch ein paar Stationen dazwischen.«
»Sullivan war ein Lückenbüßer«, sagte ich. »Die Nixe ist eben lang genug geblieben, um ihr bei dem Mord an ihren Kindern zu helfen. Dann hat sie dafür gesorgt, dass sie erwischt wurde. Was die Ausbeute an Chaos angeht, da verhält sich Cheri MacKenzie zu Amanda Sullivan wie ein Essen im Steakhaus zu einem Hamburger.«
»FastfoodMord.«
Ich setzte mich auf. »Das ist es! Wenn man richtig Hunger hat, dann nimmt man, was gerade kommt, ganz gleich, wie es schmeckt. Die Nixe will nicht einfach nur Chaos, sie braucht es. Warum hätte sie sonst «
Ein bläulicher Nebel trieb heran. Bevor ich mich auch nur wappnen konnte, hatten die Sucher mich wieder nach unten gesaugt.
18
I ch stand vor einem schmucklosen, rechteckigen Haus, zweistöckig, weiß verkleidet und mit dunklen Läden.
»Sieht mir nicht nach dem Thronsaal aus«, murmelte ich.
»Ganz entschieden nicht.«
Ein Geräusch ließ mich zusammenfahren, dann sah ich Kristof neben mir stehen.
»Was ich hier mache?« Er zuckte die Achseln. »Weiß ich auch nicht. Entweder haben die Sucher mich aus Versehen mit hergeholt, oder die Parzen wollen, dass ich helfe.«
Wir sahen uns um. Die Sonne war noch kaum über den Horizont gestiegen, aber Mutter Natur hatte den Schalter kräftig aufgedreht das Licht brannte schon jetzt; bis zum Mittag würden tropische Temperaturen herrschen. Ich sah wieder zu dem Haus hin. Alle Läden waren geschlossen. Klimaanlage?
Hinter mir trabte ein Pferd vor einem Buggy vorbei. Okay, wahrscheinlich keine Klimaanlage.
»Spätes neunzehntes Jahrhundert«, sagte Kris. »Kennst du eine Jenseitsregion, die so aussieht?«
»Boston . . . aber dies sieht nicht aus wie Boston. Und im Jenseits ist es niemals so warm.«
Auf der anderen Straßenseite öffnete sich eine Tür. Ein Mann in Anzughose und einem langärmligen weißen Hemd kam rasch heraus, einen Hut und eine schwarze Tasche in der Hand.
Er hatte grau durchzogenes Haar, eine hohe Stirn und einen schmalen Schnurrbart, der in die Koteletten überging. Er trat auf die Straße hinaus, überquerte sie, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen . . . und ging geradewegs durch mich hindurch.
»Okay«, sagte ich. »Wenn er ein Geist ist, wie hat er das gemacht?«
Der Mann öffnete das Gartentor des Hauses, vor dem wir standen, stieg die paar Stufen vor der Haustür hinauf und klopfte. Ein zweiter Mann öffnete die Tür. Er war groß und dünn, hatte weißes Haar und einen weißen Bart und trug trotz der Hitze einen schwarzen Anzug mit zugeknöpftem Jackett. Er begrüßte den jüngeren Mann kurz angebunden und mürrisch.
»Ich wollte nur schnell vorbeisehen und fragen, ob es Ihrer Familie bessergeht«, sagte der Nachbar.
»Bessergeht?«
»Ja, Ihre Frau ist vorhin vorbeigekommen und hat gesagt, Sie alle hätten vor Magenschmerzen nicht schlafen können. Sie dachte, vielleicht hätte Ihnen jemand etwas ins Essen getan «
»Ins Essen? Das ist ja lächerlich. Abby würde nie behaupten «
»Oh, Sie wissen doch, wie Frauen sind. Manchmal machen sie sich einfach Sorgen. Mir schien bei ihr alles in Ordnung zu sein «
»Es ist alles in Ordnung«, sagte der Mann. »Bei uns allen.
Und wenn Sie vorhaben, uns diesen Besuch in Rechnung zu stellen «
»Also hören Sie, Andrew, Sie wissen doch, ich würde nie «
»Das will ich auch hoffen«, sagte Andrew und schlug die Tür zu.
Der Arzt schüttelte den Kopf, hängte sich seine Tasche um, machte kehrt und ging zum zweiten Mal durch mich hindurch.
Ich bemerkte eine Bewegung hinter einem der Fenster im Erdgeschoss eine junge Frau war dabei, die Scheiben zu putzen. Ihr Gesicht war rot vor Anstrengung und Hitze. Ihrem schlichten Kleid und der Größe des Hauses nach musste sie ein Dienstmädchen sein.
»Mach doch das Fenster ein Stück auf«, sagte ich. »Du hast Rechte, Mädchen. Niemand
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