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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Cortez aus. Der Vater machte einen schnellen Schritt nach vorn und packte den Arm; die Lippen bewegten sich – ein unhörbarer Verweis. Selbst das Kleinkind starrte mit großen Augen an uns hinauf. Als ich einen Schritt in seine Richtung machte, nahm die Mutter das Kind hastig auf den Arm und sah mich strafend an. Der Vater trat näher an seine Frau heran und winkte die beiden anderen Kinder zu sich. Die Hände des Jungen machten das Zeichen gegen den bösen Blick.
    »Nur dass sie nicht wissen, wer hier die Geister sind«, sagte ich.
    Cortez antwortete mit einem winzigen Lächeln. »Weißt du es denn?«
    Die Familie wandte sich als dicht geschlossene Gruppe abund begann sich zu entfernen. Das Kleinkind grinste und winkte uns über die Schulter seiner Mutter zu. Ich winkte zurück. Cortez streckte die linke Hand aus. Ich erwartete, er würde ebenfalls winken; stattdessen sagte er ein paar lateinische Worte. Als er die Hand zur Faust ballte, begann die Familie zu verblassen. Kurz bevor sie ganz verschwanden, sah die Tochter über die Schulter zurück und warf uns einen anklagenden Blick zu.
    »Ruht in Frieden«, flüsterte ich; dann wandte ich mich an Cortez. »Hast du nicht gesagt, Savannahs Formel dient nur dazu, Naturgeister zu beschwören, und nicht auch menschliche Geister?«
    »So ist es, aber sie scheint eine ganze Reihe von Dingen zu bewirken, für die sie nicht gedacht ist.«
    »Wie machen wir alldem ein Ende?«
    »Indem wir sie von diesem Friedhof fortbringen.«
    »Dann hört es auf?«
    »Ich hoffe es. Wenn wir diesen Wald verlassen, werden die Geister zurückkommen, aber wie du gesehen hast, versuchen sie uns nicht zu schaden. Man muss einfach durch sie hindurchgehen wie durch diese Illusionen in dem Bestattungsinstitut.«
    »Okay. Wenn wir nach Süden gehen, stoßen wir auf die Straße. Einen Zaun gibt es nicht, wir können also –«
    Ein Heulen unterbrach mich. Es war nicht das Heulen der Geister, sondern das unverkennbare Geheul eines Hundes auf der Fährte.
    »Die Höllenhunde, nehme ich an«, bemerkte Cortez.
    »Wundern würde es mich nicht. Aber ich fürchte eher, das sind Spürhunde, und wahrscheinlich gehören sie der Polizei.«
    »Ah, die Polizei hatte ich ganz vergessen. Problem Nummer dreiundsechzig, glaube ich.«
    »Vierundsechzig – diese bewusstlosen Leute rings um Katrina Motts Grab müssten Nummer dreiundsechzig gewesen sein. Oder werden’s jedenfalls sein, wenn sie aufwachen.« Ich holte tief Luft. »Okay, lass mich nachdenken. Im Westen ist ein Bach. Hunde können Spuren nicht durch Wasser verfolgen. Außerdem ist das die entgegengesetzte Richtung, wir hätten also einen Vorsprung.«
    »Nach Westen also.« Er wuchtete sich Savannah über die Schulter. »Du führst.«
    Also rannten wir. Weg von den bewaffneten Polizisten, durch eine wirbelnde Masse von Naturgeistern, verfolgt von bellenden Hunden und umgeben vom Geschrei der Verdammten. Wissen Sie, ich glaube, es gibt einfach einen Punkt, an dem das Hirn alles aufgenommen hat, was es bis auf weiteres aufnehmen kann, und danach ist einem alles egal. Geister? Hunde? Polizei? Wen schert’s? Man braucht einfach nur immer weiterzurennen, und irgendwann werden sie dann schon verschwinden.
    Ich werde Ihnen die ganze Wegrennerei in Kurzform erzählen, damit es nicht zu langweilig wird. Zum Wasser rennen. Durchs Wasser waten. Hunde immer noch da. Mit Feuerkugeln nach Hunden schmeißen. Sich vornehmen, dem Tierschutzverein eine großzügig bemessene Spende zukommen zu lassen. Straße erreichen. Straße entlangtraben. Beim Auto keuchend zusammensacken. Von Cortez ins Auto gezerrt werden. Irgendeine wirklich lahme Entschuldigung über Kindheit und Asthma murmeln. Sich im Stillen vornehmen, einem Fitnessklub beizutreten.
    »Hast du die Erde?«, fragte Cortez.
    »Erde?«
    Ich kann Ihnen den Gesichtsausdruck nicht beschreiben. Den Schock. Den Unglauben. Das blanke Entsetzen.
    »Ach so,
die
Erde.« Ich zerrte beide Tüten aus der Jackentasche. »Ja, die habe ich.«
    Das Fahren überließ ich Cortez, damit ich mich zu der immer noch bewusstlosen Savannah auf den Rücksitz setzen konnte. Was auch gut so war, denn zwar betrachte ich mich natürlich als ausgezeichnete Fahrerin, habe aber wenig Erfahrung, weil ich immer lieber zu Fuß gegangen bin oder das Fahrrad genommen habe. Mit dem Ergebnis, dass ich, hätte ich am Steuer gesessen, schlecht auf das vorbereitet gewesen wäre, was als Nächstes passierte.
    Cortez fuhr vom Straßenrand los – nicht

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