Nacht der Hexen
auf der Polizeischule gelernt hatten.
Ich hatte um halb acht Uhr abends ein Zirkeltreffen in Belham anstehen, also besorgten Savannah und ich uns schnell etwas zu essen und fuhren geradewegs hin, ohne erst nach Hause zu gehen.
Es war 7.27 Uhr, als wir beim Gemeindezentrum von Belham eintrafen. Ja, ich habe wirklich
Gemeindezentrum
gesagt. Wir hatten eine stehende Reservierung für den dritten Sonntag jedes Monats, wenn sich unser »Literaturclub« im größten der verfügbaren Räume traf. Wir ließen uns bei diesen Anlässen sogar von der örtlichen Bäckerei verpflegen. Wenn Frauen aus der Stadt fragten, ob sie dem Club beitreten konnten, teilten wir ihnen mit tiefem Bedauern mit, dass wir mit Mitgliedern leider bereits überversorgt waren, notierten uns aber die Namen für die Warteliste.
Unser Zirkel bestand aus vierzehn initiierten Hexen und fünf Neophytinnen. Neophytinnen sind Mädchen zwischen zehn und fünfzehn Jahren. Die Kräfte einer Hexe entfalten sich,wenn sie ihre erste Monatsblutung bekommt; somit sind Neo phytinnen Mädchen, deren Kräfte sich gerade entwickeln. An ihrem sechzehnten Geburtstag werden Hexen initiiert, vorausgesetzt natürlich, die Monatsblutung hat eingesetzt; das bedeutet, dass sie das Wahlrecht bekommen und Formeln der zweiten Stufe zu lernen beginnen. Mit einundzwanzig erreichen sie die dritte Stufe und mit vierundzwanzig die vierte und höchste. Es gibt Ausnahmen. Meine Mutter hatte mich mit neunzehn in den dritten und mit einundzwanzig in den vierten Grad eingeführt. Und ich wäre wirklich stolz darauf gewesen, wenn Savannah mich nicht bereits überflügelt hätte – dabei hatten ihre Kräfte sich noch nicht einmal entwickelt.
Als Savannah und ich über den Parkplatz gingen, bog ein Kleinbus in ihn ein. Ich blieb stehen und wartete, als Abbys ältere Schwester Grace und ihre beiden Töchter ausstiegen. Die vierzehnjährige Brittany sah uns, winkte und kam zu uns herübergetrabt.
»Hey, Savannah, Paige«, sagte sie. »Mom hat gesagt, ihr beiden würdet gar nicht –«
»Ich dachte, ihr würdet nicht kommen«, sagte Grace stirnrunzelnd, während sie sich zu uns stellte.
»Ich hab’s fast nicht geschafft, das stimmt schon«, antwortete ich. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für einen Tag hinter mir habe.«
»Ich hab davon gehört.«
»Oh? Na ja, es spricht sich rum, nehme ich an.«
Grace drehte sich um und schrie zu der siebzehnjährigen Kylie hinüber, die noch im Kleinbus saß und auf dem Handy schwatzte.
Der Zirkel wusste also schon von Carys Tod? Ich hatte …okay, ich hatte wohl gehofft, sie hätten nichts davon gehört. Wenn die Neuigkeit sie noch nicht erreicht hatte, hätte das immerhin erklärt, warum niemand mir zu Hilfe gekommen war.
Cortez’ Worte über den Zirkel gingen mir immer noch nach. Ich verstand durchaus, warum sie sich nicht gerade auf dem Polizeirevier um mich geschart hatten – sie konnten nicht riskieren, mit mir in Verbindung gebracht zu werden. Aber sie hätten mir wenigstens in aller Stille einen Anwalt besorgen können, oder nicht? Oder zumindest Margaret zum Revier fahren, damit sie sich währenddessen um Savannah kümmerte?
Grace ging schweigend mit mir bis zur Tür; dann fiel ihr plötzlich ein, dass sie etwas im Auto vergessen hatte. Ich bot an, mit ihr zurückzugehen, aber sie winkte ab. Als Brittany mit Savannah und mir eintreten wollte, rief ihre Mutter sie zurück. Ich konnte sie flüstern hören, als ich die Tür des Gemeindezentrums aufstieß.
Als ich eintrat, brach das Geplauder ab, und alle Köpfe gingen herum.
Victoria stand vorn in der Halle und sprach mit Margaret. Therese sah mich und machte Victoria auf mich aufmerksam. Victoria blickte auf und wirkte einen Moment lang vollkommen ungläubig. Dann schnappte sie irgendetwas in Margarets Richtung und stiefelte auf mich zu.
»Was machst du hier?«, zischte sie, als sie so nahe herangekommen war, dass niemand sonst sie verstehen konnte. »Ist dir jemand gefolgt? Hat jemand dich reinkommen sehen? Ich kann einfach nicht glauben, dass du –«
»Paige!«, rief eine Stimme quer durch den Raum.
Es war Abby, die auf mich zugestürmt kam, die Arme weitausgebreitet und breit grinsend. Sie packte mich und umarmte mich.
»Du hast’s geschafft«, sagte sie. »Gott sei Dank. Du musst ja einen fürchterlichen Tag hinter dir haben. Wie geht’s dir, Liebes?«
Ich hätte ihr gleich wieder in die Arme fallen können, so dankbar war ich.
»Die haben die Anklage fallen
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