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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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hindurch.

Fuchs im Hühnerhaus
     
    I ch erreichte die Tür unseres Saals, als Cortez gerade zu sprechen begann.
    »Meine Damen«, sagte er, »ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Ihre Versammlung unterbreche.«
    Ein kollektives Keuchen übertönte ihn, als achtzehn Hexen merkten, dass sich ein Magier in ihrer Mitte befand. Und was taten sie daraufhin? Verhexten sie ihn? Wirkten sie einen Abwehrzauber? Zu meiner Verlegenheit – zu meiner Scham – wichen sie zurück, gackernd wie eine Schar Hühner, die einen Fuchs im Gehege sehen. Hexen im besten Alter, Hexen mit fünfzig Jahren Erfahrung im Formelsprechen zogen angesichts eines fünfundzwanzigjährigen Magiers die Köpfe ein. Einzig Savannah blieb, wo sie war – auf dem Kuchentisch.
    »Sie schon wieder?«, sagte sie. »Sie brauchen’s aber wirklich ein bisschen deutlicher, stimmt’s?«
    »Er ist –«, stammelte Therese. »Er ist ein –«
    »Ein Magier«, sagte Savannah. »Jetzt kriegt euch wieder ein.«
    »Lucas Cortez«, sagte er, während er zum Kopfende des Raums ging. »Wie Sie wissen, gibt es einen Antrag, Paige das Sorgerecht zu entziehen, und eine Folge davon ist, dass sie jetzt in einen Mordfall verwickelt ist. Um weitere rechtliche Schritte zu vermeiden und Paiges guten Namen zu schützen, muss ich Sie alle um eine Reihe von Maßnahmen bitten.«
    An diesem Punkt hätte ich eingreifen und ihnen erklären können, dass er nicht mein Anwalt war. Ich tat es nicht. Die Zurückweisung durch den Zirkel ging mir immer noch nach. Wenn sie glaubten, dass ich gezwungen gewesen war, Hilfe von einem Außenseiter anzunehmen – und ausgerechnet von einem Magier –, würden sie es sich vielleicht noch anders überlegen. Und vielleicht, nur vielleicht machte es einem kleinen Teil von mir ja sogar Spaß zuzusehen, wie die Ältesten sich wanden.
    Cortez wuchtete seine Tasche auf den vorderen Tisch. »Ich nehme nicht an, dass Sie einen Overheadprojektor bei der Hand haben?«
    Niemand antwortete. Niemand bewegte sich. Savannah sprang vom Tisch, ging quer durch den Raum, händigte ihm einen Filzstift aus und zeigte auf das Flipboard. Dann schlenderte sie grinsend zurück zum Kuchentisch und zwinkerte mir noch zu, bevor sie sich wieder hinaufschwang.
    Ich würde mit Savannah darüber sprechen müssen, dass man sich nicht am Unbehagen anderer freuen soll. Aber es war auf seine Art wirklich komisch, wie Cortez dort stand und seine Liste präsentierte, ernsthaft und konzentriert Punkt um Punkt erläuterte, während der Zirkel gaffte und in jedem einzelnen Kopf in Endlosschleife die Frage lief: »Ein Magier? Ist das wirklich ein Magier?«
    »Gibt es dazu Fragen?«, erkundigte sich Cortez, als er mit seiner Präsentation fertig war.
    Schweigen.
    Die elfjährige Megan, die Jüngste der Neophytinnen, hob die Hand. »Sind Sie ein schlechter Magier?«
    »Es mangelt mir noch an einer gewissen Fertigkeit bei den Formeln der oberen Kategorien, aber auf die Gefahr hin,übertrieben selbstsicher zu wirken, möchte ich sagen, dass es schlechtere Magier gibt.«
    Ich prustete los und versuchte es unter einem Husten zu verstecken.
    »Mr. Cortez hat ja Recht«, sagte Abby. »Wir müssen uns zusammentun und Paige helfen, so gut wir können.«
    Schweigen. Vollkommenes Schweigen.
    »Seid doch nicht so enthusiastisch«, knurrte ich vor mich hin.
    »Cortez«, murmelte Sophie Moss, die mit ihren dreiundneunzig Jahren die älteste Hexe des Zirkels war und zusehends dem Alzheimer erlag. »Ich hab mal einen Cortez gekannt. Benicio Cortez. Lang her, zweiundsiebzig war das, nein, neunundsiebzig. Diese Geschichte in Miami damals. Fürchterlich –« Sie unterbrach sich, zwinkerte verblüfft und sah Cortez an. »Wer sind denn Sie, mein Junge? Dies ist eine private Versammlung.«
    Und mit dieser stilsicheren Demonstration intellektueller Brillanz endete das Treffen.
    Nachdem die Versammlung offiziell beendet worden war, ging Savannah zu Cortez hinüber, während jede andere Hexe praktisch über die eigenen Füße fiel, um einen möglichst großen Abstand zwischen sich und ihn zu bringen. Ich wollte mich den beiden gerade anschließen, als die Ältesten sich auf mich stürzten.
    »Jetzt hab ich wohl wirklich alles gesehen«, sagte Victoria.
    »Deine Mutter muss sich im Grab umdrehen. Einen Magier anzuheuern –«
    »Ich habe ihn nicht angeheuert«, sagte ich. »Aber ich gebe zu, ich überleg’s mir gerade. Immerhin bietet irgendwer an, mir zu helfen.«
    »Ein Magier, Paige?«, sagte Margaret.

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