Nacht der Hexen
lassen«, sagte Savannah.
Ich verbesserte sie hastig. »Es hat keine gegeben. Die Polizei hat gar nicht erst Anklage erhoben.«
»Das ist ja wunderbar«, sagte Abby. »Wir sind so froh, dass mit dir alles in Ordnung ist.« Sie drehte sich zu den anderen um. »Stimmt’s?«
Ein paar Stimmen murmelten etwas Zustimmendes. Es war nicht gerade eine überwältigende Solidaritätsbekundung, aber für den Moment war es gut genug.
Abby umarmte mich noch einmal und nutzte den Moment, um mir ins Ohr zu flüstern: »Geh einfach und setz dich, Paige. Du gehörst hierher. Lass dir bloß nichts anderes einreden.«
Victoria stierte mich wütend an und fegte dann zu ihrem Platz vorn im Saal. Ich folgte ihr und setzte mich auf den Stuhl meiner Mutter, und das Treffen begann.
Nachdem wir Tina Moss’ Schwangerschaft und die üblen Windpocken der achtjährigen Emma Alden besprochen hatten, ließ Victoria sich schließlich dazu herab, mein Problem zu erwähnen. Und sie stellte klar, dass es ganz und gar
mein
Problem war. Sie hatten sich von Anfang an dagegen ausgesprochen, mich die Obhut über Savannah übernehmen zu lassen, und dies bestätigte sie nur in ihren Befürchtungen. Ihre größte Sorge war im Augenblick nicht, dass ich Savannahverlieren würde, sondern dass ich die Existenz des Zirkels preisgeben könnte. Es lief alles darauf hinaus, dass sie Angst hatten. Also würde ich mit dieser Geschichte allein fertig werden müssen. Dabei durfte ich keine weitere Zirkelhexe mit in die Sache hineinziehen. Sie verboten mir, auch nur Abby um Hilfe zu bitten, wenn ich einen Aufpasser für Savannah brauchte, weil dies in den Augen der Öffentlichkeit eine Verbindung zwischen uns herstellen würde.
Als Victoria fertig war, stürmte ich ins Freie, wobei ich den Schließzauber löste und die Perimeterformeln einfach durchbrach – ich hoffte, die mentalen Alarmsirenen würden den Ältesten eine kollektive Migräne bescheren. Wie konnten sie es wagen! Der Zirkel existierte aus genau zwei Gründen: um interne Hexenangelegenheiten zu regeln und um Hexen zu helfen. Die erste Rolle hatten wir mehr oder weniger an den paranormalen Rat abgegeben. Jetzt verweigerten sie die Verantwortung für die zweite. Was zum Teufel wurde eigentlich aus uns? Ein Kaffeekränzchen für Hexen? Vielleicht sollten wir zu einem echten Literaturclub mutieren. Dann würde wenigstens eine gewisse Aussicht auf intelligente Unterhaltungen bestehen.
Draußen rannte ich über den verlassenen Baseballplatz und kochte vor mich hin, aber ich wusste, dass ich nicht einfach gehen konnte. Savannah war noch da drin. Die Ältesten würden weder ihr noch irgendjemandem sonst gestatten, mir zu folgen. Wie von einem Kind, das einen Wutanfall bekommen hat, wurde von mir erwartet, dass ich mich abreagierte und dann zurückkam.
»Ich darf wohl davon ausgehen, dass es nicht gut gelaufen ist?«
Ich fuhr herum und sah Cortez hinter mir stehen.
Bevor ich auf ihn losgehen konnte, fuhr er fort: »Gestern habe ich in Ihrem Kalender einen Buchclubtermin für halb acht gesehen; ich hatte bereits befürchtet, dass Sie starrköpfig genug sein würden, ihn einzuhalten, trotz der Gefahren, die das Verfolgen regelmäßiger Aktivitäten mit sich bringt –«
»Reden Sie Englisch«, schnappte ich.
Er fuhr ungerührt fort: »Nichtsdestoweniger ist mir mittlerweile klar geworden, dass Sie nicht etwa unbesonnen gehandelt haben, indem Sie an einem gewöhnlichen Treffen Ihres Literaturclubs teilnehmen, sondern dass Sie im Gegenteil sehr gezielt handeln, um die Hilfe und den Rat Ihres Zirkels bei der Umsetzung unseres Plans in Anspruch zu nehmen. Wie Sie sich vielleicht entsinnen werden, der dritte Schritt auf der ursprünglichen Liste sah vor, sich der diskreten Unterstützung der Zirkelangehörigen zu versichern, –«
»Vergessen Sie’s, Herr Anwalt. Die werden mich nicht unterstützen, weder diskret noch sonst wie. Es ist mir hiermit nicht mehr gestattet, irgendein Mitglied des Zirkels mit meinem Problem –
meinem
Problem – zu behelligen.«
Ich bereute die Worte, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Aber bevor ich sie zurücknehmen konnte, murmelte Cortez: »Ich kümmere mich drum« und ging schnell davon, während ich gegen den Moment blinder Panik ankämpfte, als mir klar wurde, was er vorhatte. Als ich schließlich hinter ihm herrannte, war er bereits an der Tür des Gemeindezentrums angekommen. Er hob die Schutzformeln mit einer kurzen Handbewegung auf und marschierte geradewegs
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