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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Reichweite, und sie ging schnell.
    Ich senkte den Blick, betete darum, dass niemand mich erkennen würde, und folgte ihr. Ich war keine zwei Schritte weit gekommen, als Shaws Stimme hinter mir herdröhnte.
    »Paige Winterbourne, wenn Sie es wagen –!«
    Den Rest hörte ich nicht. Mein Name ging als Welle geflüsterter Wiederholungen den Gang entlang.
    »Winterbourne?«
    »Paige
Winterbourne?«
    »War das nicht –«
    »O mein Gott –«
    »Ist sie das?«
    Meine erste Eingebung war, mit hoch erhobenem Kopf zur Tür zu marschieren. Savannah hatte ja Recht – ich hatte nichts Unrechtes getan. Aber die Rücksicht gewann die Oberhand über den Stolz, und zur Schonung der Trauergäste senkte ich den Kopf, murmelte ein paar Entschuldigungen und eilte hinter Savannah her. Das Geflüster schlich hinter mir her und verklang, bevor es bösartig werden konnte.
    Vor mir war Savannahs dünne Gestalt hinter einer dicht zusammengedrängten Vierergruppe verschwunden. Ich hob den Kopf, ging rascher, hob mich kurz auf die Zehenspitzen, um nach ihr Ausschau zu halten. Die Menschenmenge murmelte; das Geflüster brandete wieder auf und schwoll zu einem Stimmengewirr an. Zu meiner Linken nahm ich einen kurzen Aufruhr wahr, jenseits von einer großen offenen Doppeltür. Ich achtete nicht darauf; ich ging weiter, während mein Blick über feindselige Gesichter glitt auf der Suche nach Savannah und gleichzeitig bemüht, keinen Blickkontakt mit den Trauernden zuzulassen. Jemand packte mich am Arm. Ich drehte mich nur halb um; aus dem Augenwinkel erhaschte ich einen kurzen Blick auf blondes Haar unter einem schwarzen Hut.
    »Es tut mir leid«, murmelte ich, während ich die Menschenmenge vor mir immer noch nach Savannah absuchte, und schob die Hände von meinem Arm. Jemand keuchte.
Dort!
In der Nähe des Ausgangs entdeckte ich einen dunklen Hinterkopf. Ich wollte ihm folgen, aber die Hände packten wieder zu; die Nägel gruben sich mir in den Arm.
    »Es tut mir leid«, sagte ich geistesabwesend, »ich muss wirklich –«
    Ich drehte mich um, um den Betreffenden abzuschütteln;dann sah ich das Gesicht und erstarrte. Lacey Cary starrte auf mich herab, die Augen rot vor Kummer und schwarz gerändert vor Mascara. Rings um uns wurde die Menge still.
    »Wie können Sie es wagen?«, zischte sie. »Soll das so eine Art geschmackloser Scherz sein?«
    »Es tut mir so, so leid«, sagte ich. »Ich wollte nicht – das ist ein Irrtum – ich brauchte bloß meine Akte.«
    »Ihre Akte?« Laceys Gesicht verzerrte sich. »Sie unterbrechen die Gedenkfeier für meinen Mann, um mich nach Ihrer Akte zu fragen?«
    »Nein, mir wurde gesagt, ich sollte –« Ich unterbrach mich; dies war kaum der richtige Zeitpunkt für all das. Ich sah mich den Gang entlang nach Savannah um, konnte sie aber nicht sehen. »Es tut mir so leid. Ich gehe jetzt besser –«
    Jemand schob sich hinter mir durch die Menge. Die Bewegung erregte meine Aufmerksamkeit, und ich sah, wie Shaw ein paar Meter entfernt zwischen den Menschengruppen erschien. Sie holte etwas aus den Falten ihres Kleides hervor. Eine Puppe. Es war ein so unerwarteter Anblick, dass ich innehielt, eben lang genug, um zu sehen, wie ihre Lippen sich bewegten … und um festzustellen, dass die Puppe nicht einfach nur eine Puppe war.
    »Ein Voodoopüppchen«, murmelte ich. »O Gott –«
    Ich fuhr herum, um zu flüchten, aber nicht bevor ich Leah hinter Shaw erscheinen sah. Sie hob eine Hand und winkte mir mit den Fingern zu.
    »Savannah!«, schrie ich, riss mich aus Laceys Griff und warf mich gegen die Menschenmenge, die mir im Weg stand.
    Etwas knackte über mir – wie eine kleine Explosion. Dann eine weitere und noch eine. Glas flog in alle Richtungen, winzige rasiermesserscharfe Glassplitter. Glühbirnenglas.Selbst die Birnen in den Wandleuchtern explodierten, und plötzlich lag der Gang im Zwielicht, erleuchtet nur von dem mit einem Vorhang versperrten Ausgang.
    Ich versuchte zur vorderen Tür zu kommen, wobei ich alles, was mir im Weg stand, zur Seite schleuderte. Eine Innentür knallte zu, versperrte den Weg ins vordere Foyer und sorgte für vollkommene Finsternis. Weitere Türen krachten zu. Leute schrien.
    Jemand flog gegen mich. Nein, nicht einfach nur jemand, die ganze Menschenmenge. Ringsum schien jeder der Anwesenden umgerissen zu werden, und wir schossen in einem kreischenden, brodelnden, um sich tretenden Haufen durch eine Türöffnung. Die große Doppeltür knallte hinter uns zu und dämpfte die Rufe und

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