Nacht der Leidenschaft
öffnete sich zu einem von Säulen umstandenen Oval. Der große, daran anschließende Empfangssaal war in einem angenehm samtigen Grün gehalten. Die helle, von Künstlerhand gefertigte Stuckdecke stand in auffallendem Kontrast zu dem dunklen Fußboden aus Eichenholz. Verlockende Düfte füllten die Luft und versprachen ein köstliches Mahl. Das leise Klirren der Gläser nahm sich wie die festliche Begleitung zu dem im Hintergrund spielenden Streichquartett aus.
In der Mitte der Räume drängten sich die Gäste. Mit einem leichten Nicken des Kopfes erwiderte Amanda die freundlichen Begrüßungen der Anwesenden. Sie wusste, dass sie beliebt war – so beliebt wie eine Großtante.
Manchmal sprach man sie scherzhaft auf diesen oder jenen Herrn an, aber in Wirklichkeit glaubte keiner daran, dass sie in dieser Richtung irgendwelche Interessen hegte. Man hatte sie bereits als ‚Ladenhüter‘ abgestempelt.
„Meine liebe Miss Briars!“, ertönte eine kräftige männliche Stimme, und als sie sich umwandte, blickte sie in das herzlich lachende Gesicht von Mr. Talbot. „Endlich macht dieser Abend sein Versprechen wahr … nur Sie hatten noch zu seiner Vollendung gefehlt“
Obwohl Talbot sie altersmäßig mindestens um zehn Jahre überrundete, besaß er eine unvergängliche Jungenhaftigkeit, die seinem üppigen weißen Haarschopf spottete. Die fleischigen Wangen verzogen sich zu einem schelmischen Grinsen. „Und wie bezaubernd wir heute Abend aussehen!“, fuhr er fort, nahm ihre Hand und drückte sie zwischen seinen rauen Handflächen. „Sie stellen alle anderen Damen in den Schatten.“
„Ihre Schmeicheleien bin ich gewohnt, Mister Talbot“, entgegnete ihm Amanda lächelnd. „Aber ich bin vernünftig genug, um nicht darauf hereinzufallen. Richten Sie Ihre honigsüßen Worte lieber an einen unerfahrenen Backfisch, der sie für bare Münze nimmt.“
„Oh, aber Sie sind mein bestes und liebstes Stück“, beharrte er. Amanda rollte mit den Augen und lächelte erneut.
Dann ließ sie sich von Talbot zu einer schweren Mahagoni-Anrichte führen, die von zwei großen Silberkesseln flankiert wurde. Der eine war mit dampfendem Rumpunsch gefüllt und der andere mit kühlem Wasser. Talbot machte viel Aufhebens davon, als er einen Diener heranwinkte und bat, für seinen Gast einen Kelch, mit Punsch zu füllen.
„Mister Talbot, jetzt bestehe ich aber darauf, dass Sie sich Ihren anderen Gästen zuwenden” meinte Amanda und sog den würzigen Duft des Punsches mit der Nase ein. Sie genoss die angenehme Wärme die durch das Glas drang, da ihre Hände trotz der Handschuhe kalt und klamm waren. „Ich entdecke da einige Leute, mit denen ich mich unterhalten möchte, aber dieses Vorhaben erschweren Sie.“
Talbot lachte gutmütig über die scherzhafte Ermahnung und entfernte sich mit einer tiefen Verbeugung. Amanda nippte an dem dampfenden Punsch und ließ die Augen über die Schar der Gäste schweifen. Autoren, Verleger, Illustratoren, Buchdrucker, Anwälte und sogar ein oder zwei Kritiker. Wie in einem Kaleidoskop scharten sie sich zusammen, trennten sich und versammelten sich erneut zu ständig wechselnden Gruppierungen. Darüber schwebte ein monotones Stimmengewirr, das stellenweise durch lautes Auflachen unterbrochen wurde.
„Amanda, allerliebste Amanda!“, erklang eine silberhelle Stimme. Amanda drehte sich um und begrüßte eine gut aussehende blonde Witwe – Mrs. Francine Newlyn. Francine war die erfolgreiche Autorin von ungefähr einem halben Dutzend Sensationsromanen – hochdramatischen Geschichten über Bigamie, Mord und Ehebruch. Obwohl Amanda Francines Bücher als „Reißer” bezeichnete, las sie sie mit Vergnügen. Francine war schlank, katzenhaft geschmeidig, liebte Klatsch und hatte es sich zum Grundsatz gemacht, Freundschaften nur mit Schriftstellern zu pflegen, die ihrer würdig waren. An Gesprächen mit dieser Frau hatte Amanda stets viel Freude, war aber vorsichtig genug, ihr niemals Dinge anzuvertrauen, die nicht für die Ohren Dritter bestimmt waren.
„Liebste Amanda“, gurrte Francine und umfasste elegant mit schlanken behandschuhten Fingern den Stil des Punschglases. „Wie reizend, Sie hier anzutreffen. Sie sind hier die einzige mit Vernunft ausgestattete Person, die bis jetzt über die Schwelle dieses Hauses getreten.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ~Vernunft‘ bei einem Anlass wie diesem so wünschenswert ist“, antwortete Amanda mit einem strahlenden Lächeln. „Charme und
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