Nacht der Leidenschaft
Schönheit sind hier zweifellos besser am Platz.“
Francine erwiderte das Lächeln mit unverhohlener Boshaftigkeit. „Welch ein Glück, dass Sie und ich mit allen drei Eigenschaften ausgestattet sind!“
„Ganz richtig“, spöttelte Amanda. „Sagen Sie mir, Francine, wie kommen Sie mit Ihrem neuesten Roman voran?“
Die Blonde blickte ihr Gegenüber mit gespieltem Vorwurf an. „Wenn Sie es so genau wissen wollen: Mit meinem Roman geht es überhaupt nicht voran.“
Amanda lächelte mitfühlend. „Sie werden diese Flaute schon überwinden.“
„Oh, ich mag es gar nicht, ohne Inspiration zu schreiben. Ich werde nicht weiterarbeiten, bis ich nicht etwas oder jemanden gefunden habe, das – oder der – meine Kreativität beflügelt.“
Unwillkürlich musste Amanda über Francines raubtierhaften Gesichtsausdruck lachen. Die Neigung der Witwe, Liebschaften einzugehen, war in der Verlegerwelt nur zu bekannt. „Haben Sie Ihr Interesse bereits auf jemand im Besonderen gerichtet?“
„Nein, noch nicht … obwohl ich einige Anwärter im Sinn habe.“ Anmutig nippte die Witwe an ihrem Glas. „Zum Beispiel hätte ich nichts dagegen, mit diesem faszinierenden Mr. Devlin bekannt zu werden.“
Obgleich Amanda diesem Mann nie begegnet war, hatte sie den Namen schon öfters gehört. John T. Devlin war in literarischen Kreisen Londons eine berüchtigte Figur. Er war ein Mann mit mysteriösem Hintergrund, der in den vergangenen fünf Jahren aus einer kleinen Druckerei das größte Verlagshaus der Stadt gemacht hatte. Dabei, so schien es, hatte er sich auf seinem Weg zu Macht und Reichtum weder von moralischen Bedenken noch von Fairness aufhalten lassen.
Mit Charme, Betrug und Bestechung hatte er anderen Verlegern die besten Autoren weggeschnappt und sie angehalten, skandalöse Sensationsromane zu schreiben. Er warb mit Anzeigen in Tageszeitungen und Zeitschriften für seine Bücher und heuerte Leute an, die sich bei Gesellschaften und in Lokalen begeistert darüber äußerten. Als die Kritik sich beschwerte, dass die von Devlin verlegten Bücher den moralischen Werten einer le icht beeinflussbaren Leserschaft schadeten, begegnete Devlin diesem Vorwurf mit der Veröffentlichung einer Erklärung, in welcher er die potenziellen Leser warnte, ein gewisser Roman enthalte detailliert beschriebene Gewalt- und Liebeszenen. Natürlich stiegen die Umsätze schlagartig.
Amanda kannte John T. Devlins fünfgeschossiges weißes Steingebäude an der belebten Kreuzung von Holborn und Shoe Lane, hatte es jedoch noch nie betreten. Hinter den gläsernen Schwingtüren, so hatte man ihr berichtet, reihten sich hunderttausende von Büchern auf Regalen aneinander, die vom Fußboden bis zur Decke reichten und von einem begierigen Publikum ausgeliehen wurden. Jeder der zwanzigtausend Abonnenten zahlte Devlin jährlich eine Gebühr für das Privileg, seine Bücher ausleihen zu dürfen. In den oberen Stockwerken befanden sich die Bücher, die für den Verkauf bestimmt waren, außerdem die Druckerei, die Buchbinderei und natürlich Mr. Devlins private Büroräume.
Ständig fuhren ein Dutzend Lieferwagen mit Zeitschriften und Büchern für Abonnenten und Kunden aus und ein.
Täglich wurden große Fregatten an den Werften mit seinen Lieferungen beladen, die für das Ausland bestimmt waren. Mit seiner vulgären Ware hatte Devlin zweifellos ein Vermögen gemacht, aber Amanda bewunderte ihn nicht dafür. Sie hatte gehört, mit welchen Methoden er kleinere Verlagshäuser erbarmungslos aus dem Geschäft gedrängt hatte und Leihbüchereien ruinierte, die ihm Konkurrenz machten. Ihr gefiel es nicht, dass er in der literarischen Welt so mächtig geworden war, ganz zu schweigen davon, dass er diese Macht missbrauchte. Sie hatte es bisher stets vermeiden können, ihm zu begegnen.
„Ich hatte keine Ahnung, dass Mr. Devlin heute Abend hier ist“, sagte Amanda stirnrunzelnd. „Du meine Güte! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr. Talbot freundschaftlich mit ihm verkehrt. Nach allem, was ich gehört habe, ist Devlin ein Schurke.“
„Meine liebe Amanda, keiner von uns kann es sich leisten, nicht mit Devlin befreundet zu sein“, erwiderte Francine. „Und auch Sie sollten sein Wohlwollen gewinnen.“
„Bis jetzt bin ich ganz gut ohne ihn ausgekommen. Und Sie, Francine, sollten einen großen Bogen um ihn machen.
Eine Affäre mit einem Mann dieses Schlages hätte unabsehbare Folgen …“
Sie hielt plötzlich inne, als für einen kurzen
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