Nacht der Leidenschaft
möglich.
„Haben Sie vor, mich damit hinauszujagen?“, fragte ihr ungebetener Gast höflich.
„Wenn nötig, ja.“
Er antwortete mit einem amüsierten Schnauben auf ihre Erklärung, hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger an und zwang sie, zu ihm aufzublicken.
„Sir“, rief sie aus. „Würden Sie das bitte …“
„Mein Name ist Jack.“ Der Anflug eines Lächelns lag ihm auf den Lippen. „Und ich werde gleich gehen, aber erst, wenn wir einige Dinge besprochen haben. Ich habe ein paar Fragen an Sie.“
Sie seufzte ungeduldig. „Mr. Jack, das bezweifle ich nicht, aber …“
„Jack ist mein Vorname.“
„Also gut … Jack.“ Ihr Gesichtsausdruck wurde ärgerlich. „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mein Haus auf der Stelle verließen!“
Er ging weiter in die Diele hinein und tat dies so gelassen, als hätte sie ihn zum Tee eingeladen. Amanda war gezwungen, ihr vorschnelles Urteil über seine kümmerlichen geistigen Fähigkeiten zurückzunehmen. Nachdem er sich von der Überraschung erholt hatte, auf eine so merkwürdig hastige Art in ihr Haus eingelassen zu werden, zeigte sein Verstand Anzeichen rascher Besserung.
Der Fremde ließ seinen Blick anerkennend durch die geöffnete Tür in den eierschalenfarbenen und blauen Salon schweifen, registrierte die klassischen, klaren Formen ihrer Möbel, den Mahagonitisch am Fenster und den gerahmten Spiegel am Ende der Diele. Wenn er nach Zierrat oder sichtbaren Zeichen von Reichtum suchte, wurde er enttäuscht. Amanda hasste alles Aufschneiderische oder Unpraktische. Sie hatte die Einrichtung zweckentsprechend ausgewählt und nicht nach äußeren Kriterien. Wenn sie einen Stuhl kaufte, musste er groß und bequem sein. Wenn sie einen Beistelltisch erstand, musste er stabil genug sein, um einen Stapel Bücher und eine schwere Leselampe zu tragen. Sie mochte weder Schnörkel noch goldene Rosetten.
Als der Betrachter seinen Blick auf der Tür zu ihrem Salon ruhen ließ, sagte Amanda spöttisch: „Da Sie anscheinend das tun, was Ihnen beliebt, und sich nicht nach meinen Wünschen richten, treten Sie bitte ein und nehmen Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ein Glas Wein vielleicht?“
Obwohl sie die Einladung mit unverhülltem Sarkasmus ausgesprochen hatte, nahm er sie lächelnd an. „Ja, wenn Sie mir Gesellschaft leisten.“
Das Aufblitzen der weißen Zähne und das gewinnende Lächeln riefen bei ihr ein merkwürdiges Gefühl hervor. Ihr war, als ob sie nach einem grauen Wintertag in ein warmes Bad eintauchte. Sie fröstelte ständig. Das feuchte, neblige Wetter in London schien ihr bis in die Knochen zu dringen. Trotz Fußwärmer und Plaids, trotz warmer Bäder und heiße Tee mit einem Schuss Brandy fror sie die meiste Zeit.
„Ich werde vielleicht einen Schluck Wein trinken“, hörte sie sich sagen. „Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mister … ähm, ich wollte sagen, Jack.“ Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. „Da Sie sich jetzt in meinem Salon befinden, könnten Sie mir auch Ihren vollen Namen nennen.“
„Nein“, erwiderte er ruhig, ohne dass das Lächeln aus seinen Augen schwand. „In Anbetracht der Umstände sollten wir es dabei belassen, uns mit den Vornamen anzureden … Amanda.“
Hemmungen hatte er jedenfalls keine, Sie bedeutete ihm energisch, sich zu setzen, während sie zur Anrichte trat.
Jack blieb jedoch stehen, bis sie für jeden ein Glas mit Rotwein gefüllt hatte. Erst als sie auf der Mahagonicouch saß, nahm er auf dem Trafalgar-Lehnstuhl gegenüber Platz. Der Flammenschein aus dem gut bestückten weißen Marmorkamin huschte über sein schwarzes Haar und die glatte, goldfarbene Haut. Er schien vor Gesundheit und Jugend geradezu zu strotzen. Amanda rätselte im Stillen, ob er nicht einige Jahre jünger sei als sie.
„Darf ich einen Toast ausbringen?“, fragte ihr Gast.
„Offensichtlich wünschen Sie das“, gab sie spitz zurück.
Ein aufblitzendes Lachen war die Antwort darauf. Er hob sein Glas. „Auf eine Frau von großer Kühnheit, Fantasie und Schönheit.“
Amanda trank nicht. Sie blickte ihn stirnrunzelnd an, als er sein Glas an die Lippen führte. Eigentlich eine Unverschämtheit von ihm, sich in ihr Haus zu drängen, es einfach nicht zu verlassen, nachdem sie ihn deutlich dazu aufgefordert hatte, und sich dann auch noch über sie lustig zu machen.
Sie war eine intelligente und tugendhafte Frau, die sich nichts vormachte und wusste … dass sie keine Schönheit war. Ihre anziehenden Attribute waren
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