Nacht der Leidenschaft
war ich neugierig, wie das Privatleben der echten Miss Briars aussieht.“
„Jetzt wissen Sie es. Ich bin eine Frau, die sich zu ihrem Geburtstag einen Cicisbeo einlädt.“
Ein umwerfendes Lachen war die Antwort auf ihre jämmerliche Erklärung. „So sagt man das auch nicht.“ Die teuflisch blauen Augen betrachteten sie eingehend, und als er weiter redete, veränderte sich seine Stimme. Der amüsierte Ton hatte eine Färbung angenommen, die sogar Amanda in ihrer Unerfahrenheit als rein erotisch erkannte. „Da Sie mich noch nicht zum Gehen aufgefordert haben … lassen Sie bitte Ihr Haar herabfallen.“
Als Amanda sich nicht rührte und ihn nur mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, fragte er ruhig: „Angst?“
Und ob. Ihr Leben lang hatte sie sich davor gefürchtet vor dem Risiko, abgewiesen zu werden, vor der Lächerlichkeit, der sie sich preisgeben könnte … Ja, sie hatte sich sogar vor der Enttäuschung gefürchtet, dass das Zusammensein mit einem Mann tatsächlich so erniedrigend und abstoßend sei, wie ihre Schwestern es ihr beschrieben hatten. In letzter Zeit war sie jedoch auf etwas gestoßen, das sie noch mehr fürchtete: niemals das große, verlockende Mysterium erlebt zu haben, das den meisten Menschen auf dieser Welt beschieden war. In ihren Romanen hatte sie die Leidenschaft ausführlich geschildert. Das Sehnen, den Wahnsinn und die Ekstase, die sie hervorrief – all die Gefühle, die sie nie erfahren würde. Warum sollte sie das hinnehmen? Sie gehörte nicht zu den Glücklichen, die so sehr von einem Mann geliebt wurden, dass er bereit war, sein Leben mit ihr zu teilen. Aber hieß das, dass sie für immer unbegehrt und ungeliebt bleiben sollte? Im Leben einer Frau gab es vielleicht zwanzigtausend Nächte. Wenigstens eine davon wollte sie nicht allein verbringen.
Unwillkürlich griff ihre Hand nach den Haarnadeln. Seit sechzehn Jahren hatte sie ihr Haar immer auf die gleiche Art und Weise hochgesteckt. Der ordentliche Knoten entstand durch das feste Zusammendrehen der wilden Haarlocken zu einer Rolle. Sie brauchte genau sechs Haarnadeln, um diesem Knoten Halt zu geben. Am Morgen war ihr Haar verhältnismäßig fügsam, aber mit dem Fortschreiten des Tages lösten sich stets vorwitzige kleine Locken aus der straffen Frisur und bildeten einen flaumigen Kranz um ihren Kopf.
Eine Haarnadel, zwei, drei … Amanda zog sie nacheinander heraus und behielt sie in der Hand, bis die Enden sich in die weiche Haut der Innenfläche gruben. Als die letzte Nadel entfernt war, löste sich der Knoten langsam auf.
Die langen Locken fielen ihr seitlich über eine Schulter.
Die blauen Augen des Fremden blitzten überrascht auf. Er wollte ihr ins Haar fassen, besann sich aber und fragte:
„Darf ich?“
Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein Mann gefragt, ob er sie berühren dürfe.
„Ja“, sagte sie, wobei sie zweimal Anlauf nehmen musste, um das Wort deutlich auszusprechen. Sie schloss die Augen und spürte, wie er näher kam. Die Kopfhaut prickelte, als er ihr vorsichtig durch das Haar strich. Breite Fingerkuppen fuhren durch die Strähnen, teilten sie und legten ihr einen Mantel aus Locken um die Schultern.
Dann berührte er behutsam ihre Hand, sodass Amanda sie öffnete und die Haarnadeln fallen ließ. Mit dem Daumen fuhr er über die kleinen roten Abdrücke, welche die Nadeln auf der Haut hinterlassen hatten, und führte schließlich die Hand an sein Gesicht, um die wunden Stellen zu küssen.
Sie spürte den warmen Atem seiner Stimme auf der Innenfläche. „Ihre Hand riecht nach Zitronen.“
Sie öffnete die Augen und blickte ihn ernst an.
„Ich wasche mir die Hände mit Zitronensaft, um die Tintenflecke wegzubekommen.“
Diese Auskunft schien ihn zu belustigen. In das Feuer der blauen Augen mischte sich ein amüsiertes Aufleuchten.
Er ließ ihre Hand los, spielte mit einer Locke und berührte dabei ihre Schulter. Sie hielt den Atem an. „Verraten Sie mir, warum Sie einen Mann von Mrs. Bradshaw anforderten, anstatt einen Ihrer Bekannten zu verführen?“
„Drei Gründe“, sagte sie, wobei ihr das Sprechen schmier fiel, als er ihr mit der Hand durch das Haar strich. Eine Welle der Wärme erfasste sie und stieg ihr in die Wangen. „Erstens: Ich wollte nicht mit einem Mann schlafen und ihm dann bei gesellschaftlichen Anlässen wieder begegnen. Zweitens: Ich habe nicht das Talent, einen Mann zu verführen.“
„Dieses Talent lässt sich sehr leicht erlernen, mein Pfirsich.“
„Was
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