Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
Schuld?“ Ich hob die Hände und lachte bitter. „Es ist einfach meine Schuld, dass dein Leben im letzten Jahr so miserabel verlaufen ist. Na, ich habe dich nie darum gebeten, dass du mich in diesem Leichenschauhaus angreifst. Ich habe nicht darum gebeten, dass du mich in einen Vampir verwandelst. Und ich habe niemanden darum gebeten, dich wieder unter die Lebenden zu schicken.“
„Ich weiß!“ Er nahm mich an den Oberarmen und drückte mich gegen das Podest, auf dem der Engel stand. Bröseliger Beton knirschte hinter mir und ich konnte hören, wie der Engel, der anscheinend nur durch sein Gewicht und die Schwerkraft Stand hatte, auf dem Sockel hin und her wackelte.
Cyrus schien nicht zu bemerken, dass wir jeden Augenblick durch ein umstürzendes Denkmal getötet werden konnten. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er bleckte die Zähne und verwandelte es in die Fratze eines Vampirs. „Du hast mich nicht zurückgebracht, obwohl du im Besitz von Dahlias Zauberbuch warst! Du hättest mich wieder zum Leben erwecken können!“
Er dauerte eine Weile, bis ich seine Worte verstand, seine Stimme war vor Wut erstickt und durch sein Vampirgesicht schwer verständlich. Seine Gesichtszüge verwandelten sich wieder in sein glattes Menschengesicht zurück und zornig zitternd wich er vor mir zurück. Ich blieb stehen und ballte wiederholt meine Hände zu Fäusten, während ich überlegte, was ich sagen sollte.
Aber dazu bekam ich nicht die geringste Chance. Er machte ein angewidertes Geräusch, drehte sich ab und schritt den Pfad entlang.
„Warte!“ Ich lief ihm nach. „Ich meine, ich hätte dich statt deines Vaters zum Leben erwecken können?“ Ich wusste nicht, ob ich darüber beleidigt sein sollte, dass er das überhaupt von mir erwartet hatte, oder dass es mir peinlich sein sollte, dass ich nicht selbst darauf gekommen war. „Du bist zurück. Warum ist es so wichtig, wer dich zurückgeholt hat?“
„Warum es wichtig ist?“, wiederholte er, Empörung und Fassungslosigkeit waren ihm ins Gesicht geschrieben. „Mein Vater hat mich zurückgezerrt, um mich zu opfern. Ich werde in diese verdammenswerte blaue Welt zurückkehren, und es gibt nichts, was ich dagegen machen kann.“
Er packte mich wieder, aber dieses Mal war ich darauf vorbereitet. Als seine Wiedergeburt war er nicht mehr so stark wie früher, und ich schubste ihn mit aller Kraft weg. Er fiel auf den Rücken, und ich beugte mich über ihn. „Willst du etwas dagegen unternehmen? Dann hör auf zu jammern und hilf uns! Hilf uns, ohne nach deinen Regeln zu spielen und dich über deine verletzten Gefühle zu beschweren!“
„Willst du das wirklich?“ Vorsichtig rappelte er sich wieder auf. „Willst du wirklich, dass ich in deinem Leben wieder eine Rolle spiele? Würde das nicht die perfekte Lösung zerstören, die mein Tod für dich bedeutet hat?“
In meiner Brust machte mein Herz einen Satz. „Du dachtest, ich wollte, dass du stirbst?“
Cyrus konnte mir nicht in die Augen sehen. „Das machte dir sicherlich die Entscheidung leichter. Welchen solltest du nehmen? Den Schöpfer oder den Zögling?“
Ich hatte das Gefühl, als wäre mir die Luft ausgegangen. Mein Herz raste, und mir wurde schwindelig. Aber ich bin nicht zusammengebrochen, noch verlor ich das Gleichgewicht. Ich hatte eine Erleuchtung.
„Cyrus, auch wenn du nie gestorben wärest … es hatdiese Entscheidung nie gegeben. Ich liebe dich nicht.“
In diesem Moment wusste ich ganz genau, was damit gemeint ist, wenn Leute sagen, dass ihnen die Last der Welt von den Schultern genommen wurde. Es war die Wahrheit, ich liebte Cyrus nicht. Unerklärlicherweise fühlte ich mich zu ihm hingezogen, aber ich würde nie mit ihm glücklich werden. Ich konnte nur mit Nathan glücklich sein. Die Gefühle, die ich für Cyrus hegte, basierten allein auf den Blutsbanden, die uns verbanden, oder auf der nostalgischen Sehnsucht nach ihnen. Aber bei Nathan … Ich hatte schon Gefühle für Nathan entwickelt, bevor unsere Blutsbande miteinander verknüpft waren. Diese Gefühle gingen in dem Gewirr unter, das aus der körperlichen Anziehung, die ich zu Nathan spürte, und meiner Verzweiflung bestand, etwas über die Welt zu erfahren, in die ich gegen meinen Willen hineinkatapultiert worden war. Aber diese Gefühle waren von Anfang an da gewesen. Nathan hatte recht, es gab so etwas wie die Liebe auf den ersten Blick. Eine andere existierte nicht.
Und ich war auch nicht die Einzige,
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