Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
wollte ich Nolen nicht sehen, und ich wollte nicht, dass er mich sah.“
„Das ist okay.“ Mehr wollte ich nicht hören, nur für den Fall, dass er mich anlog. Ich wollte keine Lügen mehr von ihm hören. „Erzähl mir, wie du mir helfen kannst.“
„Ich kann dich in das Ritual einschleusen. Die Teilnehmer werden alle dasselbe tragen, daher wird es für dich nicht schwer sein, unterzutauchen, sobald du im Haus bist. Ab da habt ihr euren eigenen Plan, nehme ich an?“
Ich nickte. „Wir haben uns etwas überlegt.“
„Und du kannst mir helfen, falls ich es wollte?“ Ich wusste, dass er versuchte, nicht zu hoffnungsvoll zu klingen, daher antwortete ich ihm so neutral wie möglich. Ich würde tun, was in meiner Macht stand. Das schien er zuakzeptieren und sagte: „Schön. Ich werde dir ein Kostüm schicken. An dem Abend selbst solltest du damit ohne Probleme ins Haus gelangen können.“
„Danke.“ Unbeholfen schüttelten wir uns die Hände, und ich drehte mich um, um zu gehen.
Als ich schon ein paar Schritte auf dem Weg zurückgelegt hatte, rief er mich zurück. „Carrie. Es gab doch etwas, oder? Ich meine, wir hatten doch etwas, was uns beiden gehörte, nicht wahr?“
Es gelang mir nicht, ihm in die Augen zu sehen. Es war einfach zu viel, zu wissen, dass wir uns in einigen Monaten in dem Reich der blauen Seelen wieder treffen und uns dann vielleicht nicht erkennen würden. Nach alldem, was wir zusammen erlebt hatten, würden wir dann unwiderruflich allein sein.
„Ja, ich glaube, das hatten wir.“
Im Gegensatz zu Orpheus, dem Gottessohn aus der griechischen Mythologie, schaute ich nicht zurück, als ich den Totenacker verließ. Aber das spielte für das Ende der Geschichte keine Rolle.
20. KAPITEL
Lose Enden, weitere Entwirrung
Als ich nach Hause kam, wartete Nathan im dunklen Wohnzimmer auf mich.
Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. „Wo sind die anderen?“
„Unten.“ Er tat mir nicht den Gefallen, vorzugeben, dass alles in Ordnung war. „Ich muss mit dir reden.“
Ich setzte mich in den Ohrensessel und sparte es mir, das Licht anzumachen. Ich wusste, worüber er mit mir reden wollte. Auf keinen Fall war ihm meine Erkenntnis, die ich auf dem Friedhof gewonnen hatte, verborgen geblieben. Da wir nun allein waren, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir uns dem unmittelbar bevorstehenden Problem stellen mussten.
„Nathan“, setzte ich an und versuchte das Unmögliche, nämlich das, was ich sagen wollte, irgendwie freundlich zu verpacken. „Es gibt einen Grund dafür, warum Dahlia … dir das angetan hat.“
Er nickte resigniert und betrachtete die Stelle, an der die transplantierte Haut auf seinem Oberarm auf die natürliche traf. „Ich kann nicht behaupten, dass ich mich das nicht auch schon gefragt hätte.“
Ich hatte ebenfalls Vermutungen darüber angestellt, was ihn sonst noch beschäftigt hatte, während er genesen war. „Cyrus glaubt, sein Vater wird die Symbole aufessen und dir deine Seele wieder wegnehmen. Es wird dir allerdings nichts passieren, jedenfalls nicht, bis du stirbst. Aber damit hätte er alles beisammen, um das Ritual durchzuführen.“
„Mir wird nichts passieren“, wiederholte er leise, „bis auf die Tatsache, dass ich meine Seele verliere.“
„Nathan …“ wiederholte ich, aber was sollte ich sagen? Dass er seine Seele nicht brauchte? Ich war nicht spirituell veranlagt, aber ich wollte gerne meine Seele behalten. Und Nathan besaß einen esoterischen Buchladen und war außerdem noch ein strenggläubiger Katholik, auch wenn er am Sonntagmorgen nicht zur Messe ging. Das war schon mehr als ein Interessenkonflikt. Es war ein sicheres Zeichen dafür, dass er noch nach etwas suchte. Auch wenn er vielleicht mit niemandem darüber redete, hing er an seiner Seele.
„Was wird geschehen, wenn du den Souleater getötet hast?“ Nie zuvor hatte seine Stimme derart angespannt geklungen.
Das Einzige, was ich ihm darauf antworten konnte, war: „Ich weiß es nicht.“
„Ich denke, du weißt es.“ Langsam und unter Schmerzen stand er aus dem Rollstuhl auf und stützte sich auf der Sofalehne ab. „Zumindest hast du Angst vor dem, was passieren wird.“
„Ich habe Angst zu sterben. Das weiß ich mit Sicherheit. Und ich habe Angst zu versagen, und ich habe Angst, zu spät zu kommen, und dass die Welt darunter leiden wird. Und ich habe Angst, dass ich Erfolg haben werde und mich dann nicht bremsen kann …“ Ich räusperte mich und versuchte, die
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