Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
Entschuldigung, als Ziggy es gemeint hatte. „Ich glaube, es gibt jetzt einfach Wichtigeres. Nate hat ganz sicher viele Male seinen Arsch für mich riskiert. Sehr oft sogar. Aber ich habe die letzten Monate nicht dadurch überlebt, dass ich mich aufgeopfert habe, okay?“
„Verstehe.“ Bill legte seinen Arm auf die Rückenlehne der Couch und versuchte, möglichst entspannt und lässig zu wirken. „Aber Nathan ist doch der Typ, von dem du sagst, er sei dein Vater. Wie kannst du so damit beschäftigt sein, dich selbst zu schützen, wenn du über ihn sprichst?“
„Weil ich noch immer im Selbsterhaltungs-Modus bin.“ Über diese einfache Antwort war Ziggy selbst überrascht.
„Aha, deswegen. Als du bei deinem Schöpfer lebtest, hast du einfach das gemacht, was er von dir verlangt hat. Und diese Dinge ließen dich einfach noch mieser fühlen.“ Bill sagte das, als könnte er Ziggys Gedanken lesen. „Als ich jünger war, befand ich mich in einer ähnlichen Situation. Mit meinem Vater, um genau zu sein.“
Ziggy spürte, wie sich etwas in seiner Brust rührte, aber sein Selbsterhaltungstrieb zwang ihn, dieses Gefühl zu ignorieren. „Wirklich? Glaubst du, dass dein Vater bei dir auch so einen Schaden angerichtet hat, wie mein Schöpfer bei mir?“
„Ja“, gab Bill ohne Zögern zurück. „Nicht dieselbe Art Verletzungen, aber natürlich hat auch er mir etwas angetan.“
Ziggy lehnte sich zurück und stützte den Kopf gegen Bills Arm. Eigentlich wollte er ihn in den Arm nehmen, aber das hätte zur Folge gehabt, dass beide ihre Schutzmauern hätten fallen lassen müssen.
Bill schüttelte den Kopf. „Ich will jetzt nicht weiter darüber reden, aber … wenn du an den Punkt kommst, wo du anfängst, dich anzupassen, so zu werden, wie andere Leute glauben, dass du sein solltest, dann wird niemand dein wahres Ich jemals kennenlernen.“
Seufzend schloss Ziggy die Augen. „Du willst wissen, wer ich wirklich bin? Ich bin wie ein beschissenes verdammtes Gebäude. Bei mir stimmt so vieles nicht, dass ich weiß, dass ich es nicht hinbekomme. Ich kann jederzeit zusammenbrechen.“
„Du bist kein verdammtes Gebäude. Und du musst auch nichts hinbekommen. Du musst nach vorn schauen. Und du musst darüber hinwegkommen, zu denken, dass bloß, weil jemand dich herabgewürdigt hat, du nichts wert bist.“ Bill sah ihn an. In seinem Blick lag nicht Mitleid, sondern Verständnis, und das führte dazu, dass Ziggy das Gefühl hatte, ihm würden Haut und Muskeln von den Knochen geschält. Es war echt Scheiße, derjenige zu sein, dessen Abwehrmechanismen zunichte gemacht wurden.
„Aber woher soll ich wissen, dass ich doch etwas wert bin?“ Ziggy lehnte sich vor, um Bill nicht länger berühren zu müssen. Er hatte Angst, seine verletzten Gefühle würden ihm durch die Poren dringen und Bill erkennen lassen, was für ein kranker Typ er eigentlich war. „Du hast keine Ahnung, was er mir alles angetan hat. Wie konnte er mir das alles antun, wenn ich etwas wert gewesen wäre?“
„Weil er offensichtlich ein kranker Idiot ist.“ Bill presste die Zähne aufeinander, als hätte er Lust, auf etwas einzuschlagen.
Es fühlte sich gut an, zu wissen, dass jemand eine Person verletzen wollte, weil sie einen verletzt hatte.
„Ziggy, du bist unglaublich. Und ich meine das jetzt nicht im sexuellen Sinne. Das bist du auch, aber das ist jetztnicht das, worauf ich hinaus will. Du bist unglaublich, weil du all das überstanden hast, und es hat dich fertig gemacht, und du hast dir einen Panzer zugelegt, um dich zu schützen. Aber ich möchte nicht, dass du weiterhin das Gefühl hast, du müsstest dich immer noch absichern.“
„Warum, wie willst du das anstellen?“ Oh Gott, klang das verzweifelt? Klang das so, als wolle er eine Erklärung herausfordern?
Ziggy öffnete den Mund, um seine Frage zurückzuziehen, aber Bill schien seine Worte schon vergessen zu haben. Bevor er weitersprach, nahm er einen Schluck Kaffee. „Gar nicht, wirklich. Was kann ich schon ausrichten, verdammt? Aber, wie ich schon gesagt habe, ich möchte nicht, dass es dir schlecht geht.“
„Danke.“
„Und ich glaube, es würde dir schlecht gehen, wenn du nicht alles für Nathan tust, was in deiner Macht steht.“
Ziggy konnte Leute noch nie verstehen, die diese Art von gesundem Menschenverstand verfolgten. „Auch egal. Wahrscheinlich sind wir eh schon gestorben, bevor wir die Chance haben, etwas Heldenhaftes zu tun.“
Bill lachte leise in sich hinein.
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