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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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und tat so, als studierte er die Adresse auf dem Zettel. «Wie wär’s, wenn ich jeden Tag einmal bei ihm vorbeischaute? Mehr als mich rausschmeißen kann er ja wohl nicht!»
    «Das wird er wahrscheinlich auch tun!», entgegnete Laura. «Aber ich wäre dir sehr dankbar. Vielleicht bring ich dir sogar ein paar Flaschen Chianti mit!»
    «Oh, was sind wir doch für ein wunderbares Team!», flötete Claudia und schnitt eine Grimasse. «Wir bestehen nur aus verdammten Gutmenschen – den Chef ausgenommen natürlich!»
    «Wieso, willst du dich auch um meinen Alten Herrn kümmern?», fragte Laura trocken.
    «Nein danke! Ich hab selbst einen!», entgegnete Claudia. «Haut endlich ab! Ich muss arbeiten!»
    Peter Baumann griff sein Jackett von der Garderobe. Es war ähnlich zerknautscht wie sein Hemd. Schweigend wartete er neben Laura auf den Fahrstuhl. Schweigend glitten sie nebeneinander zum Erdgeschoss hinunter.
    «Ich würde gern mit nach Italien fahren», sagte er unvermittelt, als der Fahrstuhl mit einem Ruck stoppte. «Es wär wie Urlaub mit dir!» Er sah Laura nicht an, sondern starrte auf die Fahrstuhltür, die sich mit einem leichten Quietschen öffnete.
    «Ich fürchte, das wird harte Arbeit – von Urlaub keine Spur!» Laura betrachtete ebenfalls die Tür. Weder sie noch Baumann bewegten sich. Die Tür quietschte wieder leise und schloss sich. Laura drückte schnell auf den Knopf. Zum zweiten Mal öffnete sich die Tür, zu langsam.
    «Willst du hier drin bleiben?», fragte Laura.
    Baumann schüttelte den Kopf, machte aber noch immer keine Anstalten, den Fahrstuhl zu verlassen.
    «Du bist verdammt gut, wenn es um unklare Antworten geht!»
    «Mein Gott, Peter! Wir sind auf dem Weg zu den Eltern eines Mordopfers. In meinem Kopf geht es rund, weil ich nicht weiß, ob ich meine Chaosfamilie bis heute Abend organisiert bekomme, und du träumst von einem Urlaub in Italien!»
    Peter Baumann schlug mit der Hand gegen die Fahrstuhltür, die sich wieder schließen wollte. Diesmal schwang sie sehr schnell auf.
    «Vergiss es! War nur so ein Gedanke! Man muss ja nicht immer nur dienstlich denken, oder? Aber ich hab verstanden! Du hast kein Interesse dran! Alles klar!»
    Er ging schnell voran, durchquerte die Eingangshalle, und Laura hatte Mühe, ihm zu folgen.
    Scheiße!, dachte sie. Er nimmt unsere kleinen Flirts ernst! Das ist genau, was ich jetzt brauche! Noch ein Problem!
    Sie stolperte hinter Baumann her, nahm kaum wahr, dass sie bereits den Dienstwagen erreicht hatten und er die Tür für sie aufhielt.
    Es geht einfach nicht, dachte sie, als sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Die Verspannung in ihrem Nacken fühlte sich inzwischen wie eine eiserne Kralle an. Frauen können Männern nicht zeigen, dass sie sie mögen, dass sie gute Kameraden sind, mit denen sie gern herumalbern. Männer wollen immer mehr! Ich hätte es wissen müssen. Aber ich dachte, Baumann ist anders. Irrtum!
    «Also, wohin?» Seine heisere Stimme unterbrach ihre Gedanken.
    «Grünwald», antwortete sie knapp.
    Er fuhr los. Zu schnell, aggressiv. Laura sagte nichts. Der BMW raste durch die Innenstadt, und Laura fiel wieder einmal auf, wie hässlich die Sonnenstraße war. Überhaupt war die Stadt zu laut, zu voll. Abgaswolken hingen über der Straße, dünne Wolkenfahnen überzogen den Himmel mit Spinnenfingern.
    Föhn, dachte Laura. Nicht auch noch Föhn an einem Tag wie diesem! Sie empfand den warmen Fallwind von den Alpen fast jedes Mal wie eine Art Überfall, wie ein lebendiges Wesen, das seinen heißen Atem in die Stadt blies, manche in den Selbstmord trieb, andere mit Migräne plagte und ein nervöses Flirren erzeugte, unerklärliche Hochgefühle, Kreislaufzusammenbrüche und Verkehrsunfälle.
    Baumann bremste knapp hinter einem Radfahrer, der auf den Straßenbahnschienen zu schlingern begann.
    «Scheiß Radfahrer!», fluchte er.
    «Föhn!», sagte Laura.
    «Was?»
    «Wir haben Föhn.»
    «Die fahren nicht nur bei Föhn so bescheuert!»
    «Aber du!», antwortete Laura wütend. Sie hatte keine Lust, Baumanns schlechte Laune einfach so hinzunehmen. Der Radfahrer bog nach links ab, doch Baumann machte keine Anstalten, Gas zu geben. Hinter ihnen hupte es. Peter Baumann stieg in aller Ruhe aus, ging um den Kühler des Dienstwagens herum und öffnete Lauras Tür.
    «Fahr du!», sagte er knapp.
    Hinter dem BMW reihten sich die Autos auf. Das Hupkonzert hallte von den hohen alten Häusern wider, Fußgänger blieben stehen, Fenster öffneten sich,

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