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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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mehr hergeben, und fragte leise:
    «Hauptkommissarin der Kripo? Was …?»
    Er schien plötzlich zu schrumpfen, riss sich aber gleich danach hoch, straffte die Schultern und lächelte. «Es ist sicher wegen der Einbrüche hier in der Gegend. Sie müssen wirklich etwas unternehmen. Letzte Woche zweimal … aber wir haben nichts gehört oder gesehen …»
    «Könnten wir bitte einen Augenblick hereinkommen?», fragte Laura.
    «Aber ich kann Ihnen wirklich nichts sagen. Meine Frau auch nicht! Wir haben nichts gesehen und gehört!»
    «Es geht nicht um die Einbrüche, Herr Wolf. Sie sind doch Herr Wolf?»
    «Jaja!» Er schüttelte ungeduldig den Kopf und machte noch immer keine Anstalten, Laura und Baumann ins Haus zu lassen. Laura begann langsam die Treppe hinaufzusteigen. Der alte Mann zog sich zur Haustür zurück, streckte den Arm gegen sie aus, als könnte er so ein drohendes Unheil fernhalten, und Laura hätte am liebsten kehrtgemacht.
    «Eva!», rief er über die Schulter ins Haus. «Eva! Da sind Leute von der Polizei!» Es klang wie ein Hilferuf.
    Die Frau, die kurz darauf im Flur erschien, war wesentlich jünger als ihr Mann. Laura schätzte den Altersunterschied auf mindestens fünfzehn Jahre. Sie trug ihr blondes Haar hochgesteckt, kleine Perlen glänzten in ihren Ohrläppchen und der dunkelgraue weite Hausanzug verlieh ihr eine unauffällige Eleganz.
    «Ja, bitte?», sagte sie und neigte den Kopf ein wenig zur Seite.
    «Ich bin Laura Gottberg, und das ist mein Kollege Peter Baumann. Wir sind von der Kripo. Wir müssen mit Ihnen sprechen, Frau Wolf. Es geht um Ihre Tochter Carolin.»
    «Carolin?» Eva Wolf berührte mit einer Hand die Wand, als suchte sie Halt, und richtete sich gleichzeitig auf. Laura registrierte diese seltsame Gegenbewegung im Körper der Frau.
    «Aber Carolin ist nicht hier. Sie ist bei einem Workshop in der Toskana. Ich habe gestern mit ihr telefoniert …»
    «Vorgestern!», berichtigte ihr Mann.
    «Vorgestern?»
    «Ja, vorgestern! Vielleicht sogar vor drei Tagen!»
    Eva Wolf starrte ihren Mann an.
    «Können wir reinkommen?», fragte Baumann.
    «Ja, bitte. Kommen Sie nur.» Eva Wolf wandte sich schnell um und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Laura ließ ihren Blick über die Einrichtung wandern: Perserteppiche, Sitzgruppe mit englischen Blumenmustern, Biedermeierschrank, bodenlange rosa Vorhänge, gediegenes Bürgertum.
    Eva Wolf ließ sich in einen englischen Sessel sinken, stellte ihre Beine nebeneinander und presste die Knie zusammen.
    «Also, was wollen Sie von Carolin? Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass meine Tochter nichts mit Drogen oder sonstigen Geschichten zu tun hat, von denen man in der Zeitung liest. Sie studiert Romanistik und …»
    «Ist ja schon gut, Eva!»
    Laura fiel auf, dass der alte Wolf seine Frau bereits zum zweiten Mal unterbrach. Er schien seinen Widerstand gegen ihre Anwesenheit aufgegeben zu haben und wirkte auch nicht mehr so hilflos wie am Anfang. Jetzt ging er zu einer Kommode, öffnete den Deckel und holte eine Cognacflasche heraus.
    «Sie auch einen?», fragte er.
    Laura und Baumann schüttelten gleichzeitig den Kopf. Da goss er sich ein großes Glas voll, setzte sich auf das Sofa, trank einen Schluck und sagte:
    «Jetzt können Sie loslegen!»
    Laura spürte wieder diese eiserne Kralle in ihrem Nacken, räusperte sich leise, hörte sich selber reden und wunderte sich, dass sie es schaffte, sagte, was sie schon unzählige Male gesagt hatte. Zwang sich dazu, die Reaktion der Eltern zu beobachten, das Erstarren der Körper, das Stocken der Atmung, das Zusammenkrümmen, das Verkrampfen der Hände um die Armlehnen und in diesem Fall auch um ein Cognacglas. Und ihr fiel auf, dass Eva Wolf nicht weinte, sondern den Mund zu einem lautlosen Schrei öffnete und dann die Augen schloss.
    «Es tut mir sehr Leid, dass ich Ihnen diese Nachricht überbringen muss», sagte Laura leise in die Stille hinein.
    «Aber das kann nicht sein!» Eva Wolf schrie Laura diese Worte ins Gesicht. «Ich habe mit ihr telefoniert! Es ging ihr gut! Sie hatte eine wunderbare Zeit! Wer sollte sie denn umbringen? Alle mochten sie. Ich kenne keinen Menschen, der Carolin nicht geliebt hätte.»
    Laura warf einen schnellen Blick zu Carolins Vater hinüber. Er saß mit gebeugtem Kopf und starrte in sein Cognacglas. Plötzlich sah er auf und fing Lauras Blick ein.
    «Hat sie gelitten?», flüsterte er.
    «Nein. Nach allem, was die italienische Polizei uns mitgeteilt hat, musste sie

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