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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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herausgerutscht wäre. Stattdessen griff sie nach der Tasse, die Baumann inzwischen gefüllt hatte.
    Der Gerichtsmediziner räusperte sich und reichte Laura die Zuckerdose. Sie schüttelte den Kopf. Er stellte die Zuckerdose sorgfältig an ihren Platz auf dem Tablett zurück, nahm seine Brille ab und massierte mit der rechten Hand seine hohe Stirn und die blanke Glatze.
    «Es ist nicht viel herausgekommen. Die Frau ist etwa vierzig, war ziemlich gesund. Sie hat maximal drei, wahrscheinlich nur zwei Tage im Wasser gelegen. Zum Glück für mich – ich hasse Wasserleichen. Sie ist eindeutig ertrunken. Es gibt aber zwei interessante Verletzungen, die kaum auffielen: eine Schramme, die sich über ihren rechten Knöchel bis zum Knie zog. Auch ihre Strumpfhose war an der entsprechenden Stelle kaputt. Und eine schmale Prellung quer über den Brustkorb – knapp oberhalb des Magens. So etwas könnte man bekommen, wenn man gegen ein Metallgeländer prallt oder gestoßen wird. Sie hat sich die Prellung mit Sicherheit nicht im Wasser zugezogen.»
    «Sie könnte also in den Fluss gestoßen worden sein?» Laura stellte ihre Beine nebeneinander und fing dabei wieder Beckers verstohlenen Blick auf.
    «Das ist schwer zu sagen. Zumindest ist es merkwürdig», erwiderte der Arzt.
    «Wissen wir schon, wer die Tote ist?», fragte Becker und schob seine Kaffeetasse hin und her.
    «Nein», antwortete Peter Baumann. «Es gibt noch keine Vermisstenmeldung, und die Presse wird erst morgen berichten.»
    «Warum erst morgen?» Beckers Stimme klang scharf.
    «Weil es gestern zu spät war für die Presse. Wir konnten die Meldung erst am frühen Abend rausgeben.» Baumann sprach mit dem etwas nachsichtigen Ton, den er meistens anschlug, wenn er mit dem Chef redete. Laura wunderte sich immer wieder, dass Becker es nicht merkte. Aber vermutlich dachte er, dass Baumann eben immer so redete.
    «Na gut! Dann müssen wir abwarten, ob jemand die Tote vermisst. Routinesache, nicht wahr?»
    Baumann und Laura nickten leicht.
    «Dann können Sie jetzt zu Ihrem nächsten Termin, Dr.   Reiss. Ich hoffe, Sie kommen nicht zu spät, weil wir auf Hauptkommissar Gottberg warten mussten.»
    Becker hatte «Hauptkommissar Gottberg» gesagt. Aus seinem Mund klang es wie eine Beleidigung. Reiss stand auf, verbeugte sich zweimal leicht, murmelte etwas Unverständliches und verschwand.
    «So!», sagte Becker und fasste mit beiden Händen an die Revers seines grauen Anzugs. «Jetzt zur Sache. Ich muss nämlich auch gleich weg! Ein wichtiger Termin mit dem Polizeipräsidenten!» Ein zufriedenes Lächeln glitt über sein Gesicht, und ein paar Sekunden lang schien er in Gedanken bereits bei diesem wichtigen Termin zu sein, denn seine Augen wanderten geistesabwesend zur Zimmerdecke.
    Laura wechselte einen Blick mit Baumann.
    «Ja, Chef. Wir sind gespannt!», sagte sie, um Becker wieder auf den Boden zu holen.
    «Gut. Wo waren wir?»
    «Sie sagten: Zur Sache!», murmelte Baumann.
    «Ah ja. Also zur Sache! In der Nähe von Siena ist offensichtlich eine junge Deutsche ermordet worden. Der zuständige Kommissar – besser ‹Commissario›, klingt ja viel hübscher auf Italienisch, nicht wahr – also, dieser Commissario hat eine E-Mail ans Landeskriminalamt geschickt und angefragt, ob wir nicht jemanden hätten, der ein paar Sprachen kann, vor allem Italienisch und Deutsch. Er vermutet nämlich, dass der Fall komplizierter ist, als er bisher aussieht. Da scheint eine Gruppe Deutscher beteiligt zu sein, mit denen er nicht richtig sprechen kann. Und weil wir doch ein vereintes Europa haben, dachte er, dass wir das zusammen machen sollten.»
    «Aha», sagte Baumann.
    Laura schwieg und schlug ihre Beine wieder übereinander. Becker zog seine Revers nach vorn, grinste plötzlich und fragte:
    «Seit wann tragen Sie Röcke, Laura?»
    «Immer dann, wenn ich einen Rock tragen will! Vielleicht können wir endlich zur Sache kommen! Stammt das Mädchen aus München? Sind ihre Angehörigen benachrichtigt? Wo befindet sich diese mysteriöse Gruppe? Wie lange soll ich nach Italien fahren?»
    Becker kniff kurz die Lippen zusammen.
    «Tja», sagte er. «Sie haben die unangenehme Aufgabe, die Eltern des Mädchens zu informieren. Sie und Baumann. Das haben die Italiener natürlich auch uns überlassen. Ich würde außerdem vorschlagen, dass Baumann die Ermittlungen in München übernimmt und Sie morgen nach Siena fliegen. Die Italiener wollen, dass die Verhöre zügig aufgenommen werden.»
    Laura

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