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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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rutschte, und sah Katharina herausfordernd an.
    «Halt den Mund!», erwiderte sie knapp. «Ich arbeite mit Rosa! Oder bist du hier der Therapeut?»
    Er presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    «Ich finde es nur schlimm, wie du mit Rosa umgehst. Wir wissen alle, dass sie krank ist!»
    «Ja, das wissen wir!» Katharinas Stimme klang eisig.
    «Ach ja? Warum handelst du dann nicht danach?» Rolf Bergers Lippen zitterten.
    «Weil niemand durch Schonung gesund wird! Du auch nicht!»
    Bergers Lippen zitterten noch heftiger, dann liefen Tränen über seine Wangen, Zeitlupentränen, sammelten sich an seiner Nasenspitze, tropften auf sein T-Shirt.
    Ich hasse dich, dachte Katharina. Ich hasse deine Sentimentalität und dieses ewige Selbstmitleid. Ich habe es schon in München gehasst, mir nur nicht erlaubt, es zu hassen. Wahrscheinlich sitzt du genauso vor deiner Frau, wenn sie dich wegen deiner Affären zur Rede stellt. Ein armer unverstandener Junge, der mit seiner unendlichen Sensibilität alle anderen terrorisiert.
    «Können wir das so stehen lassen?», fragte sie und erschrak über die Routine, mit der sie diesen Therapeutensatz in den Raum stellte.
    Bergers Tränen flossen weiter, doch er sagte nichts mehr. Hubertus reichte ihm ein Stück von der Küchenrolle, die stets bereitlag. Rosa lehnte mit geschlossenen Augen und gekreuzten Beinen an der Wand.
    «Hast du Lust, ein bisschen mehr zu machen?», fragte Katharina. «Dann würde ich dich bitten aufzustehen. Aber nur, wenn du wirklich willst!»
    Rosa nickte leicht und erhob sich unsicher. Katharina stand ebenfalls auf und stellte sich eine Armlänge entfernt von Rosa auf. Die anderen schauten weg, auf ihre Füße, auf die Wand, das Fenster.
    «Lass dich atmen, einfach nur atmen!» Katharinas Stimme war jetzt sanft.
    Rosa atmete. Es fiel ihr schwer. In den Lungen schien ein Widerstand zu sitzen, ein Klumpen. Sie atmete flach, keuchend.
    «Beug dich nach vorn und lass die Arme hängen!», sagte Katharina.
    Rosa knickte ein, ihr Oberkörper neigte sich, ihre Hände berührten beinahe den Boden. So ging das Atmen leichter. Aber ihr wurde schwindlig. Die Angst, die sie seit Tagen gewaltsam zurückdrängte, kroch wie ein kaltes schwarzes Tier durch ihren Körper.
    «Ich kann nicht!», flüsterte sie.
    «Doch, du kannst», erwiderte Katharina.
    «Nein, ich kann nicht! Nein, nein, nein!» Rosa schrie auf den Boden, mit rotem Gesicht. Spucke lief aus ihrem Mund. Niemand sah hin, nur Katharina.
    «Doch, du kannst!», wiederholte sie. «Was macht dir solche Angst, Rosa?»
    Rosa krümmte sich zusammen, warf sich auf den Boden, schlug kraftlos mit den Fäusten auf den Teppich. Katharina kniete neben ihr, legte eine Hand auf ihren Rücken.
    «Atme!», befahl sie, fühlte Schweiß zwischen ihren Brüsten und über ihren Rücken rinnen.
    «Lass es raus, Rosa. Warum kämpfst du so dagegen? Es kostet so viel Kraft. Du brauchst deine Kraft für andere Dinge, wichtigere!»
    Plötzlich verstummte Rosa, lag still. Katharinas Hand ruhte auf ihrem Rücken, sanft und doch spürbar, massierte jetzt leicht.
    «Ich sterbe!» Rosas Stimme war so leise, dass die anderen sich ein wenig vorbeugten, um sie zu verstehen. «Ich sterbe, aber ich bin eigentlich schon tot. Ich tu nur so, als würde ich leben. Ich bin tot, weil ich nichts empfinde – nur diese Angst. Ich tu so, als würde ich die Meditationen genießen, unsere einsamen Spaziergänge. Ich tu so, weil alle anderen auch so tun! Aber ich tu nur so!» Sie drehte den Kopf zur Seite, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz.
    «Atme!»
    «Sag das nicht!» Rosa schrie jetzt, doch Katharina zuckte nicht einmal zusammen. Nur die anderen zuckten. «Sag nicht, dass ich atmen soll! Ich kann nicht atmen. Ich ersticke. Ich ersticke daran, dass ich nichts empfinde. Wisst ihr, was ich gedacht habe, als ich Carolin fand? Gut, dass es nicht mich getroffen hat, hab ich gedacht!» Rosa lachte heiser auf und drehte sich auf den Rücken, schlug Katharinas Hand weg.
    «Ich liebe niemanden, versteht ihr? Nicht meinen Mann, nicht meine Tochter und auch nicht den Hund. Aber ich bleibe bei ihnen, weil ich mich sicherer fühle, wenn sie da sind … Es hält diese schwarze Angst ein bisschen ab, wenn ich einen Mann und eine Tochter habe … Aber jetzt hat sie sich in meiner Brust festgefressen, diese schwarze Angst, und sie sitzt in diesem verdammten Zimmer!»
    «Was ist mit dem Zimmer?» Katharina ließ Rosa nicht aus.
    Rosa warf sich hin und her, als

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