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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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allein blieb. Klar, bei einer Gruppe von sieben Leuten muss einer allein bleiben, falls er oder sie nicht in ein Zimmer mit zwei anderen ziehen will. Warum aber du, Rosa?»
    Rosa umklammerte beide Füße.
    «Weil … weil ich so eine Nähe nicht aushalte. Ich brauche Raum. Am liebsten würde ich allein leben. Aber ich trau mich nicht, weil ich es finanziell nicht schaffe. Ich verdiene nicht genug mit meinen Bildern … Schau mich nicht so an. Ich bin feige! Ja! Ich gehe den bequemen Weg! Ist das so schlimm?»
    «Nein», erwiderte Katharina sanft, «es ist nicht schlimm. Es könnte dich nur umbringen, Rosa.»
    So still war es in dem großen Raum, dass das Summen einer Fliege schmerzhaft laut erschien. Nach einigen endlosen Minuten räusperte sich Rosa, fuhr mit den Fingern durch ihr kurzes nass geschwitztes Haar und wisperte endlich:
    «Ja, das könnte es. Es könnte mich umbringen.»

B laue Schatten bildeten sich am Waldrand und zwischen den Hügeln, wuchsen mit dem Sinken der Sonne. Laura Gottberg stand neben dem Wagen und betrachtete ihren eigenen Schatten, der immer länger wurde und ganz am Ende einen lächerlich kleinen Kopf zeigte. Guerrinis Schatten sah nicht besser aus. Sie hatten sich in zwei seltsame Riesen verwandelt, mit Spinnenarmen und Spinnenbeinen.
    «Ombra della sera », sagte Guerrini. «Kennen Sie die etruskische Skulptur aus dem Museum von Volterra?»
    Laura nickte lächelnd.
    «Auf meinem Schreibtisch steht sogar eine Nachbildung. Abendschatten . Ein Geschenk meiner Mutter.»
    «Meine Nachbildung steht auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer. Ich hab sie mir selbst geschenkt. Für zwanzigtausend Lire.»
    «Wie groß ist sie?»
    Guerrini beschrieb mit seinen Händen einen Abstand von etwa zwanzig Zentimetern.
    «Meine auch!»
    Sie lachten gleichzeitig los, senkten gleich darauf verlegen die Köpfe. Die Schattenriesen auf der rötlichen Erde schrumpften ein wenig. Guerrini räusperte sich.
    «Da oben liegt die Abbadia.»
    Laura legte den Kopf in den Nacken und schaute zu dem mächtigen Gebäude hinauf, das von der tief stehenden Sonne in grelles Licht getaucht wurde.
    «Und da unten …», Guerrini wandte sich um und wies auf das bewaldete Tal und das Bachbett, «… da unten wurde die Tote gefunden.»
    «Ich würde mir den Ort gern ansehen, ehe wir zur Abbadia fahren.»
    Guerrini nickte und betätigte die Zentralverriegelung seines Wagens. Sie folgten einem Feldweg, der zwischen den verdorrten Grasbüscheln kaum noch zu erkennen war, überquerten die vertrocknete Wiese und standen endlich am Bachbett. Guerrini reichte Laura eine Hand, um ihr über Wurzeln und Steinbrocken zu helfen. Sie spürte die Wärme dieser Hand bis in die Schulter strömen. Er hielt ihre Hand länger als nötig, erklärte dabei die Spuren, die gesichert worden waren, schien diesen Augenblick des Zulange nicht zu bemerken.
    Laura zog ihre Hand weg. Der eine Arm fühlte sich noch immer wärmer an als der andere.
    Ich will nicht, dachte sie. Ich kenne das, und ich will nicht. Es hat keinen Sinn.
    Schweigend folgten sie dem ausgetrockneten Bachbett, der Sand knirschte unter ihren Füßen.
    «Hier!» Guerrini beugte sich zu einer Wurzelhöhle hinab.
    «Und wo begannen die Schleifspuren?», fragte Laura.
    «Dort drüben!» Er richtete sich wieder auf und ging vor ihr her zum anderen Ufer. An dieser Stelle hatte der Bach große runde Steine aus der Erde gewaschen. Sie schimmerten ein wenig im letzten Licht, das durch die Blätter drang. Laura drehte sich langsam, nahm den Ort in sich auf. Die überhängenden Bäume, die verschlungenen Äste, das Dämmerlicht, den leichten Modergeruch, der von den Tümpeln aufstieg. Es war ein Platz, um von der Hitze des Tages auszuruhen, um auf Steinen und Wurzeln zu sitzen. Eigentlich ein Ort, um Leben zu spüren, kein Ort zum Sterben.
    «Vielleicht ist sie ausgerutscht, und Giuseppe hat sie gefunden. In seinem Schrecken hat er sie dann zwischen den Wurzeln versteckt. Giuseppe hat ungeheure Angst. Vielleicht wollte er sie genau ansehen. Eine Frau, die ihn nicht vertreibt …» Guerrini machte eine vage Handbewegung.
    «Sie wünschen sich, dass der Junge nichts damit zu tun hat, nicht wahr, Angelo?»
    Er senkte den Kopf und strich sich übers Haar, ließ dann die Hand fallen.
    «Ja. Ja, ich wünsche mir, dass er nichts damit zu tun hat. Ich weiß selbst nicht warum. Ich kenne ihn kaum. Er … hat etwas sehr Ursprüngliches. Eine unfassbare Verbindung zu diesem Land. Er singt alte Lieder, und er

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