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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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der sich wie fast alle Jungs in diesem Alter nach einer Frau sehnt. Auch geistig Behinderte suchen Zärtlichkeit, körperliche Nähe und Sexualität …» Wieder warf Laura Guerrini einen Blick zu. Er rührte sich nicht, hatte nur den Kopf gehoben und beobachtete sie.
    «Und was soll das?» Quatrocchis Gesicht färbte sich dunkelrot. «Ich bin nicht verrückt, deshalb kann ich nicht wissen, wie sich so einer fühlt!»
    «Aber Dottore – Sie sind doch Richter, ein Mensch, der sich in andere einfühlen muss. Wenn ich Sie ansehe, dann bin ich sicher, dass Sie es können – ein Mann in Ihrer Stellung!»
    Quatrocchi verschränkte die Arme über seiner Brust, wandte Laura den Rücken zu und starrte zum Fenster hinaus.
    «Ich werde versuchen zu beschreiben, was vielleicht geschehen ist», fuhr Laura mit leiser Stimme fort. «Rana war in einer Vollmondnacht unterwegs, getrieben von einer unbekannten Sehnsucht. Er wusste vermutlich nicht einmal, wohin er ging, folgte einfach den Trampelpfaden der Tiere … und dann stand er plötzlich vor dieser Frau, die reglos in einer Höhle unter Wurzeln lag. Vielleicht fiel Mondlicht auf ihr Gesicht, und er fand sie wunderschön, eine märchenhafte Erscheinung. Er hatte Angst, dachte vielleicht, dass Sie nur schliefe und ihn gleich anschreien würde, wie es ihm schon öfter mit Frauen erging.  Aber sie rührte sich nicht. Deshalb kroch er zu ihr in die Höhle, betastete sie. Sie war so schön. Er fiel auf sie, spürte ihren Körper – den ersten Frauenkörper seines Lebens – ganz nah. Er wurde überwältigt von seiner Sehnsucht, seiner Begierde … und plötzlich erkannte er, dass sie tot war. Er sprang auf, blieb in den Wurzeln hängen, riss sich voll Panik los …»
    «Es reicht!», unterbrach sie Quatrocchi.
    Laura strich ihren Rock glatt und senkte den Kopf. Einen Augenblick lang blieb es still in dem großen Raum, dann kehrte Quatrocchi mit einer schnellen Drehung seines Körpers zum Schreibtisch zurück und sah Laura aus seinen hervorquellenden Augen ein wenig unsicher an.
    «Was bezwecken Sie mit dieser schwülen erotischen Schilderung?»
    «Es wäre sehr hilfreich, Dottore, wenn Sie Rana – wenigstens unter Vorbehalt – freilassen würden. Sehen Sie, solange Rana in Haft ist, fühlen sich die Deutschen auf der Abbadia sicher. Wenn Rana nicht mehr verdächtigt wird, dann wird zumindest der Täter nervös werden. Commissario Guerrini und ich sind sicher, dass der Täter im Kloster zu finden ist!»
    Quatrocchi griff wieder nach dem dicken Kugelschreiber.
    «Warum nehmen Sie diesen Berger dann nicht fest?»
    «Weil wir noch keine ausreichenden Beweise haben. Aber wir hoffen, dass wir sie bald bekommen, wenn Rana frei ist!»
    Der Richter schnaufte einige Male, trommelte einen kurzen Wirbel auf die glänzende Schreibtischplatte, sah dann auf die Uhr.
    «Ich muss weg! Ich kann den Vizebürgermeister nicht länger warten lassen. Nehmt diesen verdammten Rana  mit. Aber wenn er noch einmal den leisesten Verdacht erweckt, dann lasse ich ihn sofort in eine Anstalt einweisen!» Quatrocchi zog ein Formular heraus, füllte es schnell aus, presste seinen Stempel darauf und schob es Guerrini hin. Dann drückte er Laura kurz die Hand, nickte Guerrini zu und war schon fort, flüchtete vor dieser Niederlage, mit der er nicht gerechnet hatte.
    «The Germans to the front », murmelte Guerrini, während er das Dokument durchlas und gleichzeitig zur Tür ging.
    «Gewonnen!», rief er der Sekretärin zu.
    «Bravo!», lachte sie und hob wieder die Arme.
    «Ciao bella!» Guerrini warf ihr eine Kusshand zu.
    Als sie wieder im Fahrstuhl standen – die Kabine war eng –, sah Guerrini Laura auf eine Weise an, dass der Blitzschlag, den sie schon häufig in ihrem Körper gespürt hatte, dieses Mal von seinen Augen ausging. Der Rucksack, den sie über ihre Schulter geworfen hatte, hinderte sie daran auszuweichen. Guerrinis Gesicht kam näher, seine Hände umfassten ihre Schultern. Er zog sie an sich, und sie fand ihre Lippen unvermutet an der Stelle, von der sie schon mehrmals geträumt hatte: an dem sanften Dreieck unterhalb seiner Kehle, aus dem die Schlüsselbeine entspringen. Und während er sein Gesicht in ihr Haar versenkte, nahm sie den Geruch seiner Haut wahr.
    Das abrupte Bremsmanöver des alten Fahrstuhls riss die beiden auseinander, und als auch noch Lauras Handy klingelte, brachen sie in erleichtertes Gelächter aus.
    «Wetten, dass es Ihr Vater ist!», sagte Guerrini, und Laura war

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