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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Kollegin kann Ihnen die Sache genauer erklären.»
    Richter Quatrocchi schob einen dicken Kugelschreiber auf seinem blanken Schreibtisch hin und her.
    «Ich höre», knurrte er und starrte auf Lauras Beine.
    Sie zwinkerte Guerrini kaum merklich zu, schlug die Beine übereinander, sodass ihr Rock noch ein wenig höher rutschte und dem Richter die Sicht erleichterte.
    «Ich bin sehr froh, dass inzwischen die Zusammenarbeit zwischen der italienischen und deutschen Polizei so gut funktioniert!», sagte sie und lächelte. «Die Ermittlungen gestalten sich damit viel einfacher und gehen schneller. Was früher Wochen und Monate dauerte, können wir heute in Europa sehr professionell koordinieren.»
    Quatrocchi stellte den Kugelschreiber senkrecht, wie eine Zigarre steckte er zwischen seinen plumpen Fingern.
    «Jaja, das ist sehr erfreulich», murmelte er. «Wollen Sie mir einen Vortrag über die Vorteile der europäischen Einigung halten oder etwas über den Fall Rana erzählen?»
    «Verzeihung, aber ich denke, dass es keinen Fall Rana gibt!» Noch immer lächelte Laura. «Es gibt einen Fall Carolin Wolf, das ist das tote deutsche Mädchen. Meine Kollegen in München haben herausgefunden, dass dort auch eine Frau ums Leben gekommen ist, die mit einem gewissen Rolf Berger liiert war. Dieser Berger befindet sich mit der deutschen Gruppe auf der Abbadia, und Carolin Wolf hatte ein sexuelles Verhältnis mit ihm!» Laura betonte die Worte «sexuelles Verhältnis» besonders genüsslich.
    Blitzschnell wanderten Quatrocchis Augen von ihren Beinen zu ihrem Gesicht, dann zum Fenster.
    «Ja und?», fragte er. Von seinem kurzen Hals stieg eine Rötung auf, die sich allmählich auf seinem Gesicht ausbreitete.
    «Ich bin sicher, dass der Verdacht gegen Berger sich in den nächsten Tagen erhärten wird. Deshalb wollten wir Sie ersuchen, Giuseppe Rana freizulassen. Es besteht ohnehin keine Fluchtgefahr, wohin sollte der Junge denn fliehen. Er ist geistig behindert und kann ohne seine Familie nicht überleben.»
    Quatrocchi warf den Kugelschreiber auf den Tisch, stand auf und lief mit kleinen Schritten vor dem Fenster hin und her.
    «Ich sehe das nicht so einfach wie Sie!», stieß er hervor. «Ihre Geschichte mit Berger kann reiner Zufall sein. Gegen Rana sprechen eine Menge Beweise, überprüfbare Beweise! Außerdem bin ich grundsätzlich dagegen, dass man solche Leute frei herumlaufen lässt! Sie stellen eine Gefahr dar! Für alle!»
    Guerrini verlor die Geduld und fuhr aus seinem Sessel hoch.
    «Ich halte Rana für harmlos!», sagte er mit belegter Stimme, räusperte sich. «Es ist so einfach, einen geistig Behinderten zu verdächtigen. Er kann sich nicht wehren. Er hat einen Pflichtanwalt, der nicht besonders an ihm interessiert ist. Meiner Meinung nach ist Rana ganz zufällig in diese Geschichte verwickelt worden, weil er nachts nicht schlafen kann. Er hat das tote Mädchen gefunden und ist dann weggelaufen. Natürlich hat er überall Spuren hinterlassen. An so etwas denkt er doch nicht! Aber das habe ich Ihnen ja schon mehrmals erklärt.» Guerrini strich sich mit den Fingern durchs Haar und lehnte sich gegen die Wand.
    Quatrocchi drehte sich um.
    «Und warum findet die Spurensicherung Fäden von Ranas Pullover an den Wurzeln genau über der Toten? Warum sind sogar auf ihrer Kleidung winzige Fasern nachweisbar, die von Ranas Pullover stammen? Sogar seine Spucke haben sie gefunden!»
    Guerrini starrte den Richter an.
    «Woher wissen Sie das?»
    «Ganz neue Ergebnisse, mein lieber Commissario. Vor einer Stunde aus dem Labor gekommen. Direkt auf meinen Schreibtisch. Ich sage Ihnen, Rana hat diese Frau umgebracht! Vergessen Sie Ihre sentimentalen Gefühle gegenüber geistig Behinderten!»
    Laura überlegte fieberhaft. Die Sache schien verloren. Sie warf einen kurzen Blick zu Guerrini hinüber, der mit gesenktem Kopf an der Wand lehnte. Und sein Anblick brachte sie auf die Idee, den Richter mit etwas zu konfrontieren, mit dem er nicht rechnete. Sie wusste nicht genau wie, vertraute einfach ihrer spontanen Idee.
    «Richter Quatrocchi …», begann sie, suchte nach Worten, «… vielleicht hat sich die Sache so abgespielt: Ich versuche, etwas zu beschreiben, was ich am Tatort empfunden habe. Dieser Junge, dieser Giuseppe Rana … ich glaube, dass er noch nie etwas mit einer Frau zu tun hatte. Stellen Sie sich vor – versuchen Sie’s nur einen Augenblick –, also, stellen Sie sich vor, Sie wären ein schüchterner verwirrter Junge,

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