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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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nicht sagen, wie froh ich bin, dass wir Giuseppe frei bekommen haben», sagte er. «Ich danke Ihnen, Laura … obwohl … Ihr Auftritt war … ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es kam mir vor wie eine Theaterszene … Haben Sie sich das vorher ausgedacht?»
    «Nein», antwortete Laura, und ihre Stimme wurde unsicher. «Ich habe mir nur diesen Richter angesehen, und da fiel mir ein, wie ich ihn kriegen könnte. Er ist sicher ein Mann mit schwülen sexuellen Phantasien. Es war … reine Taktik.» Sie sah die Betroffenheit in seinem Gesicht. «Klingt zynisch, nicht wahr? Wahrscheinlich ist es das auch. Ein gewisser Teil unserer Lebenserfahrung macht uns zynisch! Aber in unserem Job kann das ganz nützlich sein!»
    Im Wagen breitete sich der Duft von warmer Pizza aus. Als Guerrini anfuhr, flatterten die Vögel davon.
    «Ja», murmelte er. «Es kann sehr nützlich sein. Verachten Sie Männer wie Quatrocchi?»
    «Vielleicht. Auf jeden Fall halte ich mich fern von ihnen.»
    «Und Giuseppe? Warum konnten Sie seine Sehnsucht so gut schildern, sein Verhalten, als wären Sie dabei gewesen?»
    Laura strich mit beiden Händen über ihre Schläfen und versuchte ein Lächeln.
    «Ist das ein Verhör, Commissario?»
    «Ja!», antwortete Guerrini ernst. «Ich möchte wissen, wie es in Ihnen aussieht.»
    «Warum?»
    «Weil ich mich für Sie interessiere.»
    «Sie haben mir noch immer nichts über Ihre innere Leere erzählt, Angelo. Und ich habe zuerst gefragt.»
    «Vielleicht mache ich es», erwiderte er grimmig und wich geschickt einem Lieferwagen aus, der rückwärts aus einer Einfahrt rangierte. «Wenn Sie mir verraten, ob Sie auch Giuseppe verachten.»
    «Nein, ich verachte Giuseppe nicht», sagte Laura. «Eher empfinde ich ihm gegenüber so etwas wie Zärtlichkeit, obwohl ich ihn nicht kenne … Ich habe die Szene so geschildert, weil ich sicher bin, dass sie sich ganz ähnlich abgespielt hat. Giuseppe ist ein Unschuldiger – er weiß nichts von Sünde oder so was. Er spürt nur die Sehnsucht und ein Verlangen, das aus seinem Körper kommt und ihn manchmal ganz ausfüllt wie ein köstlicher Schmerz, den er nicht richtig einordnen kann. Aber es ist nicht nur das Verlangen des Körpers, es ist auch die Seele, die nach etwas drängt, das er nicht kennt und deshalb sucht. Vielleicht liebkost er die Lämmer und Schafe, schmiegt sich an den Leib der Kühe, wenn niemand ihm zuschaut … Vielleicht ahnt er, dass es niemals eine Frau geben wird, die ihn umarmt …»
    Guerrini bremste mitten auf der Straße und starrte sie an.
    «Amen!»
    «Amen!», entgegnete Laura.
    Hinter ihnen hupte es. Guerrini achtete nicht darauf.
    «Sie haben sehr präzise Vorstellungen von anderen Menschen», sagte er langsam. «Was … denken Sie über mich?»
    Laura wich seinen Augen aus, wandte sich stattdessen um und sah wild fuchtelnde Arme im Rückfenster.
    «Ich glaube, wir sollten weiterfahren!»
    «Erst wenn ich eine Antwort bekomme!»
    «Sie … Sie sind ein guter Polizist, der noch ein paar Ideale hat … Sie arbeiten viel, sind ein bisschen einsam und … Ach, ich weiß nicht!»
    «Sie lügen!»
    «Ja.»
    Eine Faust klopfte heftig gegen Guerrinis Fenster.
    «Cornuto!» , stieß er zwischen den Zähnen hervor. «Verpiss dich!» Doch dann fuhr er mit kreischenden Reifen an.
    «Gut», sagte er. «Wir holen jetzt Giuseppe ab und bringen ihn nach Hause. Danach möchte ich wissen, was Sie wirklich denken.»
    «Einverstanden», flüsterte Laura, und ihr Herz machte einen seltsamen Sprung, so heftig, dass sie die Hand an ihre Brust legte, um es zu beruhigen.

G uerrini bat Laura, vor der Zelle zu warten. Er hatte dem Wachhabenden das Schreiben des Richters vor die Nase gehalten und war gleich weitergegangen, hatte den Mann mit dem Papier in der Hand stehen lassen, ihn kaum eines Wortes gewürdigt. Gab nur die knappe Anweisung, dass er die Zellentür öffnen solle.
    Er kann auch Verachtung an den Tag legen, dachte Laura.
    Mit steinernem Gesicht folgte der Wachhabende Guerrini, machte umständlich die Zellentür auf und trat zur Seite. Von drinnen kam ein Wimmern, das schnell anschwoll und in eine atemlose Melodie überging. Laura beobachtete, wie Guerrini langsam in den winzigen Raum trat und sich auf das Pritschenbett setzte. Dann wanderte ihr Blick zu Giuseppe, der in der dunkelsten Ecke der Zelle stand, den Rücken zur Tür, die Schultern gekrümmt.
    «Giuseppe», sagte Guerrini mit sanfter Stimme. «Giuseppe, ich bin wieder da. Ich

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