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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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mich auch nicht entschuldigen!» Das war Britta. «Ich bin zwar meistens anderer Meinung als Rolf, aber diesmal hat er Recht!»
    «Das finde ich auch», flüsterte Rosa.
    Hubertus und Monika starrten auf den Teppich.
    Warum bekomme ich keine Unterstützung?, dachte Katharina und spürte die Kraftlosigkeit in ihrem Inneren wachsen. Warum muss ich immer allein kämpfen? Sie müssen doch diesen Hass spüren, sich dagegen wehren. Genau dazu sind wir doch hier. Um die dunklen Seiten zu sehen und zu vertreiben. Aber es gelang nicht. In dieser Gruppe gelang es einfach nicht. Die dunklen Vögel brachen aus den Wänden und blieben.
    Katharina zuckte zusammen, als Hubertus plötzlich aufstand und in die Mitte des Raums trat. Mit gesenktem Kopf, wie ein Büßer.
    «Es tut mir Leid», sagte er. «Ich bin die Ursache dieser Auseinandersetzung. Deshalb entschuldige ich mich. Wo ich herkomme … lernt man die Lüge besonders gut. Man muss sich dauernd verstecken … Ich, ich habe mich deshalb … ich meine, ich will euch deshalb sagen, was ich bin.» Er sah zum Fenster hinaus, mied jeden Blickkontakt. «Ich bin … ich war … katholischer Priester. Das heißt, ich bin es noch. Ich habe mich beurlauben lassen, weil ich herausfinden will, ob ich auch anders leben kann.» Plötzlich lächelte er ein wenig verlegen. «Ich weiß nicht, ob einer von euch das verstehen kann, aber ich habe mir gewünscht, einmal ein ganz normaler Mensch zu sein. Einer, der zu euch gehört wie ein Bankbeamter oder Taxifahrer. Deshalb habe ich nichts erzählt. Wenn die Menschen wissen, dass man Priester ist, verhalten sie sich anders. Ich habe das mein Leben lang erlitten …»
    Katharina schloss die Augen. Sie war Hubertus unendlich dankbar. Er bot sich zur Arbeit an, entschuldigte sich anstelle anderer, half ihr über diese Situation hinweg, da ihr die Kontrolle entglitt und Chaos auszubrechen drohte. Mühsam erhob sie sich und fragte mit leiser Stimme:
    «Möchtest du ein Stück daran arbeiten?»
    Hubertus nickte.
    «Dann schau mich an und atme.»
    Hubertus atmete tief.
    «Was trennt dich von anderen, wenn du Priester bist?»
    «Ich … spiele eine Rolle. Ich bin der Wissende, der gute Mensch. Nein, das ist es nicht … Da ist etwas anderes: Ich bin ein Neutrum … kein Mann. Vielleicht ist es das Schlimmste, dass ich kein Mann bin. Ich darf kein Mann sein, keiner mit Fleisch und Blut. Man hat uns immer vor den Frauen gewarnt, vor jedem körperlichen Kontakt. Wir sind körperlos, wie Engel. Aber es ist eine Lüge. Wir hungern nach körperlicher Nähe …» Hubertus beugte sich nach vorn und umschlang seinen Oberkörper mit beiden Armen.
    «Atme!», sagte Katharina heiser. «Atme und sag nicht wir! Sag: Ich hungere nach körperlicher Nähe!»
    Hubertus bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Trockenes Schluchzen schüttelte ihn.
    «Ich … hungere nach … körperlicher Nähe!» Er ließ sich auf die Knie sinken, und es sah aus, als bitte er seinen Gott um Vergebung.
    Katharina kniete neben ihm, streichelte behutsam über seine Arme, seinen Rücken. Da ließ er sich einfach fallen, barg das Gesicht in ihrem Schoß und schluchzte wie ein Kind. Sie aber hielt ihn fest und wiegte ihn hin und her, war einen Augenblick lang wieder die große Mutter. Doch nur einen Augenblick, denn Susanne stand plötzlich auf.
    «Mir reicht’s für heute!», sagte sie und ging.
    Hinter ihr fiel die schwere Tür mit einem dumpfen Knall ins Schloss.

Ü ber Siena ging ein Gewitterregen nieder, als Laura und Commissario Guerrini die steilen Straßen zur Altstadt hinauffuhren. Die Pflastersteine glänzten, und frischer Duft von feuchten Zypressennadeln drang durch die Fenster des Wagens.
    «Warum ist Ihnen das gestern Abend nicht eingefallen?», fragte Guerrini.
    «Weil ich mich gestern Abend nicht richtig konzentrieren konnte. Ist Ihnen das noch nie passiert?»
    «Doch, natürlich. Ich hoffe nur, dass es funktioniert. Dieser Untersuchungsrichter ist ein harter Brocken.»
    «Wir werden es schon schaffen!», entgegnete Laura.
    Guerrini musterte sie von der Seite und kniff ein Auge zu.
    «Haben Sie sich deshalb so in Schale geworfen?»
    Laura trug einen kurzen Jeansrock, ein enges T-Shirt und hatte die Lederjacke locker über ihre Schultern gehängt.
    «Klar!»
    «Erfahrung?»
    Sie nickte.
    «Die Geschichte mit der jungen Katze klingt völlig verrückt!» Guerrini bremste etwas zu spät an einer roten Ampel. Der Lancia schlitterte ein paar Meter über die abgerundeten

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