Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
Olivenöl. «Warum hast du dich eigentlich entschlossen, eine Selbsterfahrungsgruppe mitzumachen?»
Monika hielt die Flasche in der Hand und schluckte.
«Weil … weil ich was über mich wissen will. Ich … es muss doch einen Grund geben, warum ich mit meiner Arbeit nicht klarkomme, warum ich keinen Freund finde.»
Ja, dachte Katharina. Es muss einen Grund dafür geben. Wahrscheinlich sogar viele Gründe, und du wirst ein Leben lang daran arbeiten müssen. Wenn ich dir jetzt sagen würde, dass es lange dauert, dass du dich ganz neu entwickeln musst, dann wirst du aufgeben. Und wenn ich dir sage, dass ich auch Schwierigkeiten mit Männern habe, dann wirst du vielleicht den Mut verlieren. Also lasse ich es und sage gar nichts.
Rosa und Rolf Berger retteten sie vor einer Antwort. «Oh», sagte Rosa, «es riecht wunderbar. Wir sind unseren Nasen nachgegangen.»
«Schön, dass du Appetit hast», lächelte Katharina.
«Ja, trotz all der schrecklichen Dinge heute habe ich richtig Hunger. Es war ein wundervoller Abend. Ich glaube, dass ich noch nie einen so schönen Sonnenuntergang erlebt habe. Und ich habe eine ganze Hand voll Stachelschweinborsten gefunden. Vielleicht mache ich eine Collage draus. Toskanische Erde mit Stachelschweinborsten. Klingt nicht schlecht, was? Am liebsten würde ich bleiben und mein Atelier hier aufbauen!»
Katharina nickte.
Rosa plappert schon wieder, dachte sie. Warum dauert nur alles so lang? Ich habe keine Geduld mehr mit den Menschen.
Dann erst fiel ihr auf, dass ein Strahlen von Rosa ausging, ihre Haut glatter, ihre Bewegungen weicher waren als sonst.
Sie hat mit ihm geschlafen, dachte Katharina. Nach all dem, was hier geschehen ist, hat sie mit ihm geschlafen. Warum eigentlich nicht? Was sollte mich daran stören. Sie holt sich ein Stück Leben.
Trotzdem war Katharina irritiert, beinahe ärgerlich, wischte abwesend mit einem Lappen über den glänzenden Herd.
«Ich muss mich nur schnell frisch machen, dann helfe ich euch!» Rosa verschwand, und Rolf Berger nahm schweigend Teller und Besteck aus dem Regal, deckte den langen Tisch auf der Veranda.
«Haben wir noch Kerzen?», fragte er Monika und vermied es, Katharina anzusehen.
Einer nach dem anderen kehrte zurück, versuchte sich nützlich zu machen. Schlechtes Gewissen breitete sich in der Küche aus, vermischte sich mit dem Duft der Lasagne. Hubertus legte sorgsam seine Pfeife auf den Tisch und öffnete zwei Weinflaschen. Britta und Susanne verteilten Servietten und schnitten Weißbrot in dicke Scheiben.
Als sie endlich an der Tafel saßen, überlegte Katharina, ob sie ihre Nachricht gleich oder erst nach dem Essen überbringen sollte. Sie entschied sich für gleich. Beim Essen zeigten sich spontane Reaktionen besonders deutlich. Nachdenklich ließ sie ihre Augen über die Gruppe wandern. Falls wirklich eine oder einer von ihnen Carolin umgebracht haben sollte, so hatte man sie, Katharina, perfekt getäuscht. Es kränkte sie, machte sie wütend. Wieder spürte sie diesen kalten Hass in sich aufsteigen. Wehrte sich dagegen. Aber es half nichts. Der Hass war da. Ermutigte sie nicht ständig die Klienten, ihre wahren Gefühle zu akzeptieren? Sie selbst hatte Schwierigkeiten damit. War es ihr erlaubt zu hassen, weil sie sich ohnmächtig fühlte?
Katharina richtete ihren Rücken gerade auf, legte beide Hände auf den Tisch und sagte mit ihrer hohen Kleinmädchenstimme: «Ich muss euch etwas mitteilen. Die Kommissarin war vorhin da. Sie hat gesagt, dass dieser Bauernjunge aus dem Gefängnis entlassen wurde. Die Polizei hält ihn für unschuldig.»
Sie heftete ihre Augen auf die Gesichter der anderen, tastete einen nach dem anderen ab. Sah Erstaunen, Ratlosigkeit, Fragen, aber nichts, das einen Hinweis auf Schuld geben würde, keine besondere Nervosität, kein Erblassen, Zittern.
«Und jetzt?», fragte Rosa mit kleiner Stimme. «Was bedeutet das für uns?»
Katharina betrachtete die Lasagne, seufzte tief.
«Ich weiß es nicht, Rosa. Aber ich denke, dass wir uns morgen in unserer Gruppe ernsthaft mit Carolins Tod befassen müssen.»
«In der Gruppe?» Rolf Berger stieß ein leises Lachen aus. «Willst du die Aufgabe der Polizei übernehmen? Auch das noch?»
Katharina strich über das glatte Holz des Tisches.
«Nein», antwortete sie leise. «Aber ich möchte wissen, woran wir sind. Wir sind eine Gruppe, und in dieser Gruppe ist etwas geschehen, für das wir vielleicht alle verantwortlich sind. Es wäre gut, wenn wir uns
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