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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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den Sonnenaufgang sehen. Es ist … wie ein Verweigern der Tatsache, dass die Zeit nicht stehen bleibt. In ein paar Stunden sind wir wieder auf der Abbadia. Morgen müssen wir gemeinsam diese Leute verhören. Ich will das alles eigentlich nicht, Laura. Kannst du das verstehen?»
    «Natürlich.» Sie lachte leise, während sie ihre Jeans überstreifte. «Ich würde auch lieber mit dir den Sonnenaufgang erleben, als morgen früh mit Berger und den anderen reden.»
    «Und warum machen wir es nicht? Warum funktionieren wir so hervorragend?» Auch Guerrini erhob sich, fühlte sich wie Tang, gerade von der Brandung an den Strand geworfen.
    «Tun wir doch gar nicht!», antwortete Laura. «Wenn wir funktionieren würden, dann wären wir im Kloster geblieben und hätten die Verdächtigen in die Mangel genommen.»
    Guerrini trat hinter sie und leckte an ihrer Schulter.
    «Du schmeckst nach Salz und Jod», murmelte er. «Warum redest du so vernünftig? Natürlich funktionieren wir hervorragend. Ich höre es in deinem Kopf ticken. Es tickt: Wir müssen zurück. Wir haben Verantwortung. Es könnte wieder etwas passieren … Sei ganz ruhig, dann hörst du es auch!»
    Laura hielt ein paar Sekunden lang still.
    «Es tickt nicht!», flüsterte sie. «Ich hör nur das Meer.»
    «Du willst es nur nicht hören.» Guerrini wühlte in dem Kleiderhaufen, der vor ihnen am Strand lag, zog seine Boxershorts hervor und stieg hinein.
    «Könnte es nicht dein eigenes Ticken sein, das du so genau hörst?» Laura rieb ihre Arme und hüpfte auf und ab, um warm zu werden.
    «Natürlich ist es mein eigenes Ticken.»
    Sie lachte. Er horchte auf dieses Lachen, dachte, dass er sie wahrscheinlich lieben könnte und dass er sie vermutlich bereits liebte, obwohl ein Teil von ihm zögerte, der Teil, der sich in der inneren Leere eingerichtet hatte und diese verteidigte, wie man eine weite stille Landschaft vor dem Ansturm Fremder verteidigen würde.
    Als hätte sie seine Gedanken erraten, fragte Laura: «Wie geht es deiner inneren Leere?» Ihre Stimme klang warm und ein klein wenig spöttisch.
    «Nicht besonders gut», murmelte er undeutlich, während er das Polohemd über seinen Kopf zog. «Sie fühlt sich bedroht!»
    «Oh, das tut mir Leid!»
    «Es muss dir nicht Leid tun. Sie ist eine schöne Wüste, die sich allmählich ausgebreitet hat. Alle Wüsten tun das. Man kann sie nur aufhalten, wenn man Bäume pflanzt.»
    Sie stand ein paar Meter entfernt von ihm, eine schwarze hohe Gestalt im schwachen Sternenlicht.
    «Tust du das? Ich meine, Bäume pflanzen?»
    «Ich versuche es», antwortete er leise und dachte, dass sie einer dieser Bäume sein könnte.
    Als sie langsam zum Wagen zurückgingen, entdeckten sie große weiße Lilien, deren Blüten direkt aus dem Sand wuchsen.
    «Ich glaube …», begann Laura.
    Guerrini legte einen Arm um ihre Schultern.
    «Warte», sagte er. «Noch nicht. Lass uns Zeit.»

E swar stockfinster, als der Lancia im Hof des Klosters hielt. Kein Mond. Die Sterne verblassten hinter Wolkenschleiern. Leise stiegen sie aus, klappten behutsam die Wagentüren zu.
    «Die schlafen alle mit Ohropax!», flüsterte Laura. «Sie hören uns bestimmt nicht!»
    Angelo begleitete sie zum Eingang des Seitentrakts. Eigentlich hatte es keinen Sinn, dass er noch nach Siena zurückfuhr. Es war zwei Uhr morgens. Aber Laura zögerte, ihn zu sich einzuladen. Noch waren sie sich fremd.
    Ein Schrei gellte über den Hof, als Laura unschlüssig vor der Tür anhielt. Er kam von der Veranda oder aus den Räumen dahinter. Angelo und Laura begannen gleichzeitig zu rennen. Er erreichte die Stufen vor ihr, hastete hinauf. Sie blieb kurz stehen und lauschte. Wieder hallte ein Schrei, gefolgt von Schluchzen. Laura rannte, stolperte, hielt keuchend neben Angelo vor der schweren Tür an, die zum Gruppenraum führte.
    «Es kam von drinnen!», sagte er.
    Die Tür war verschlossen. Wieder ein Schrei. Laura begann zu klopfen, knallte den Löwenkopf gegen die Metallplatte. Als die Tür aufgerissen wurde, starrte sie in Rosa Perls aufgelöstes Gesicht.
    «O mein Gott!», schrie Rosa. «Ich bin so froh, dass Sie da sind!» Sie stürzte sich in Lauras Arme, zitterte am ganzen Körper, barg das Gesicht in ihren Händen.
    «Was ist denn passiert?» Laura versuchte ruhig zu sprechen, konnte aber die Atemlosigkeit in ihrer Stimme nicht wirklich unterdrücken. Rosa Perl schluchzte. Guerrini ging an den beiden Frauen vorüber in den halbdunklen Gruppenraum und sah sich um. Ein

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