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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Ahnung. Ich kann es nicht fassen, nicht benennen …» Katharina wandte ihre Augen ab und schaute über das Land.

L aura saß noch immer am Steuer des Lancia, fuhr und wusste nicht wohin. Als sie die Hauptstraße erreichten und Laura nach Buonconvento abbiegen wollte, legte Guerrini plötzlich die Hand auf ihren Arm.
    «Warten Sie. Nicht nach Buonconvento. Vielleicht halten Sie mich für verrückt, aber ich möchte ans Meer. Biegen Sie nach rechts ab!»
    Laura tat gar nichts. Ans Meer? Jetzt? Die Ermittlungen liefen auf vollen Touren, der Bügel der Sonnenbrille, die Freilassung Ranas, Katharinas düstere Vorahnung. Die Dinge würden in Bewegung kommen.
    «Nein, Angelo», sagte sie. «Das geht nicht. Wir sind beide im Dienst.»
    «Das deutsche Pflichtgefühl, was?» Guerrini verzog das Gesicht. «Wenn wir sofort losfahren, sind wir um sieben am Meer. Wir gehen schwimmen, essen und sind um Mitternacht zurück. Dann können Sie noch immer Ihre Schäfchen beobachten. Die Ergebnisse der Sonnenbrille bekomme ich über Handy. Und Sie haben auch so ein Ding, falls es was Neues gibt.»
    Es klang so einfach. Und er hatte Recht. Nicht ihr Pflichtgefühl hielt sie zurück, sondern diese unbestimmte Furcht. Natürlich wollte sie ans Meer.
    «Und Sie sind mir noch immer eine Antwort schuldig», hörte sie ihn sagen.
    Hatte er falsche Schlüsse aus ihren Phantasien über Rana gezogen? Hielt er sie für eine Frau mit wilden sexuellen Träumen? War der Latin Lover ein bisschen spät in Fahrt gekommen? Sie hätte sich selbst für diese Gedanken ohrfeigen mögen, stieg aus dem Wagen und stellte sich neben die Beifahrertür. Er öffnete das Fenster.
    «Und jetzt?»
    «Ich überlasse es Ihnen», sagte Laura. «Ich bin zu müde, um noch eine weite Strecke zu fahren. Vielleicht haben Sie letzte Nacht besser und länger geschlafen als ich.»
    Guerrini rutschte auf den Fahrersitz, Laura stieg wieder ein.
    «Sie können schlafen.» Guerrini bog nach rechts in die Hauptstraße ein und fuhr Richtung Montalcino. «Wenn wir am Meer sind, wecke ich Sie.»
    Laura antwortete nicht. Der Wagen glitt durch ein goldenes Land mit dunkelblauen Schatten, durch goldene Täler, goldene Dörfer, Weinberge, Olivenhaine. Goldene Schafe und Kühe grasten auf den Weiden. Sie fuhren genau nach Westen in die Berge hinein, die das Land vom Meer trennten. Die Berge verwandelten sich in riesige   Smaragde, der Himmel begann zu brennen. Laura versuchte die Augen offen zu halten, um all die Schönheit in sich aufzunehmen, doch irgendwann begannen die Bilder vor ihren Augen zu flirren, und sie verlor die Kontrolle, sank in den Sitz.
    Wach wurde sie von der Stille. Als sie die Augen öffnete, war es dunkel. Der Wagen stand. Der Fahrersitz war leer. Benommen dehnte sie ihre Glieder, wusste einige Minuten lang nicht, wo sie war. Dann fuhr sie auf, öffnete die Wagentür. Kühle salzige Luft drang zu ihr.
    Das Meer. Wasser schwappte an ein unsichtbares Ufer, gleichmäßig, nur hin und wieder von einem trockenen Knall unterbrochen, wenn eine Woge aus der Reihe tanzte, nicht auslief, sondern mit geballter Kraft auf die Küste prallte.
    Laura zog sich an der Wagentür hoch. Der Lancia parkte am Strand, ein paar Meter vor seiner Schnauze brachen sich die Wellen. Letztes Tageslicht spiegelte sich auf ihren schwarzen Rücken.
    Guerrini stand vor dem großen Wasser, ein Schattenriss mit verschränkten Armen. Laura atmete tief ein, ging langsam auf ihn zu, lautlos. Sand und Wellen verschluckten ihre Schritte. Sie starrte auf den Mann, hatte Angst, er könne sich bewegen, sich umdrehen. Sie würde flüchten, wenn er sich bewegte.
    Aber er rührte sich nicht. Noch zwei Schritte, einer. Sie lehnte sich gegen ihn, spürte, wie seine Muskeln sich kurz anspannten, als sei er bereit, sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Doch er wurde weich, und sie lehnte sich mit jedem Zentimeter ihres Körpers gegen ihn, schmiegte auch ihre Arme an seinen Rücken. Sie wollte ihn nicht festhalten, nur berühren.
    Über seine Schulter konnte sie das Meer sehen. Schwarz mit tanzenden silbernen Mustern. Weit draußen die Lichter von Fischerbooten. Lange standen sie so. Laura war dankbar, dass er ihr Zeit ließ.
    «Komm», sagte er irgendwann heiser, räusperte sich. «Ich möchte dir etwas zeigen.» Er nahm ihre Hand und zog sie zum Wagen zurück, verschloss ihn, dann führte er sie am Strand entlang. Keine Häuser weit und breit, links ragte dichter Wald auf, rechts öffnete sich eine Bucht. Der

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