Nacht der Sünde
legte Damon ihr von hinten eine Hand auf die Schulter und hielt sie auf.
Sie drehte sich um.
Auf seinem Helm brachen sich die Sonnenstrahlen. Da er die Sonnenbrille trug, konnte sie in seinen Augen nicht lesen. Schon wieder mit den Tränen kämpfend, sah sie ihn frustriert an. „Lass mich los.“
„Nein.“ Damon nahm Helm und Sonnenbrille ab und ließ beides zu Boden fallen. Von Schuldgefühlen übermannt, legte er die Hände um Kates schmale Oberarme und zog sie an sich. Als er sein Gesicht in ihrem duftenden weichen Haar vergrub, spürte er, wie sie zitterte. Noch nie im Leben hatte er sich so hilflos gefühlt.
Oder doch? Bei der Erinnerung umschloss er sie noch fester. Er hatte Bonita sterben sehen.
Und plötzlich verstand er Kate, er wusste genau, wie ihr zumute war. In diesem Moment erkannte er, dass sie beide versuchten, mit einem schweren Verlust zurechtzukommen, wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Trotzig hob sie das Kinn und fragte: „Bedeutet dir das Wort Tod denn gar nichts?“
„Oh, doch. Es erinnert mich daran, dass ich sterblich bin. Und es ermahnt mich, heute zu leben, weil es morgen schon zu spät sein kann.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Bist du eine Frau, die jeden Tag bis zur Neige ausschöpft?“
Sie versteifte sich, erwiderte aber seinen Blick. „Nun, ich möchte leben , ja.“
„Carpe diem, Kate. Nutze den Tag. Ich möchte, dass du das tust, Kate – nicht meinetwegen, sondern für dich selbst.“
Darauf schloss sie die Augen und zwei große Tränen liefen ihr über die Wangen. Damon fing sie mit seinen Daumenkuppen auf. „Wenn du deine Angst besiegst, wirst du dich so frei fühlen wie nie zuvor in deinem Leben.“
Wie sehr sie mit sich kämpfte, sah er ganz deutlich. Dann straffte sie die Schultern. Als sie die Augen öffnete, loderte darin ein Feuer, das vorher nicht da gewesen war.
Noch einmal drückte er sie fest. „Glaub an dich, Kate.“
Gute fünfzehn Sekunden verstrichen. „Wenn ich jetzt ja sage, habe ich aber einiges bei dir gut.“
Ihre Lippen waren bleich, als er ihr den Helm überstülpte. „Es ist wie Sex“, versuchte er sie aufzumuntern. „Wir fliegen vom Dach der Welt und …“
„Bestimmt schreie ich“, warnte sie ihn mit zusammengebissenen Zähnen. „Vielleicht werde ich sogar ohnmächtig. Bist du darauf vorbereitet?“
„Ich bin auf alles vorbereitet.“ Er lachte. „Du wirst sehen, es ist wie Sex. Atemberaubender Sex, der dir das Hirn aus dem Kopf pustet.
„Du bist nicht ohnmächtig geworden“, stellte Damon fest, während sie ins Hotel zurückfuhren.
„Ach ja? Und wie willst du das wissen, wo ich doch mit dem Rücken zu dir auf deinem Schoß saß?“
„Ich hätte es bemerkt.“
„Hättest du nicht. Obwohl du wahrscheinlich recht hast.“
„Egal, Kate. Entscheidend ist: Du hast es gemacht.“
„Ja.“ Sie lehnte den Kopf an die Kopfstütze und schloss die Augen.
Und Damon verstand den Wink und schwieg. Jetzt begriff er, warum ihr Vater sich ständig Sorgen machte. Immerhin hatte er einen Sohn verloren. Seinen einzigen Sohn. Damon fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn sich jemand um einen sorgte. Wer würde um ihn weinen, wenn er eines Tages nicht mehr nach Hause kam? Dabei fielen ihm die Worte ein, die Kate da oben auf dem Berg gesagt hatte. Dass sie nicht zusehen wollte, wie noch jemand starb, den sie … Den sie was? Mochte? Oder empfand sie noch mehr für ihn?
Bei dem Gedanken stockte ihm der Atem. Himmel, bloß nicht! Sie hatten sich auf ganz bestimmte Spielregeln geeinigt. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass ihre Rückkehr auch das Ende ihrer körperlichen Beziehung bedeutete. Er wollte ab nächster Woche nicht einfach nur ihr Chef sein. Er wollte …
Plötzlich wirbelten seine Gedanken wild durcheinander. Ihm wurde so heiß, dass er das Fenster öffnen musste. Die schweren Düfte Südostasiens schwappten herein, eine eigenartige Mischung aus stark duftenden tropischen Früchten, würzigem Curry und Verfall.
Was wollte er? Er massierte sich den verspannten Nacken. Auch wenn es unmöglich war, aber er wollte Kate. Die Frau, deren Anblick in ihm mit atemberaubender Regelmäßigkeit flammende Leidenschaft entfachte. Sogar wenn sie eins ihrer biederen Kostümchen trug. Oder ein orangefarbenes Nachthemd, kombiniert mit Schlabberhosen und rosa Latschen. Oder gar nichts. Besonders, wenn sie gar nichts anhatte.
Ausgerechnet an ihr blieb er hängen, an Katerina, einer strebsamen Frau mit einem ausgeprägten
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