Nacht der Versuchung
Schwiegervater sprechen zu können.«
»Jetzt?«
»Jetzt sofort. Die Sache verträgt keinen Aufschub. Es ist etwas eingetreten, was unser ganzes Leben ändert. Wenn ich mit meinem Schwiegervater gesprochen habe, kann ich Ihnen das Motiv seiner Tat nennen. Ich weiß es jetzt! Leider zu spät.«
»Interessant!« Hochheusers Gesicht verlor den fröhlichen Glanz nicht. »Da bin ich aber gespannt. Unter diesen Umständen rufe ich sofort den Gefängnisdirektor an, und in einer halben Stunde können wir den guten Hubert sehen. Dieser am Anfang scheinbar so simple Fall scheint ja allerlei Kapriolen zu schlagen.«
»Ich weiß nicht, ob das Kapriolen sind, Herr Präsident.« Klaus Blankers wischte sich mit dem Taschentuch über das gerötete, alkoholgedunsene Gesicht. In seiner Kopfwunde klopfte es wie mit tausend kleinen Hämmern. »Mein Schwiegervater soll mir eine moralische Stütze geben«, sagte er mit bebender Stimme. »Ich … ich habe vor, mich von meiner Frau zu trennen, Herr Präsident. Sie sind der erste, der es weiß.«
»Blankers, Sie sind ja sturzbetrunken!«
»Ja. Aber von der Wahrheit. Ich weiß, daß ich an diesem Schritt selbst zugrunde gehe, ich kann ohne meine Frau nicht leben; aber die Ehre als Mann und als hanseatischer Kaufmann …«
»Ich lasse Ihnen Sprudelwasser bringen, lieber Klaus«, sagte Dr. Hochheuser und schellte nach seiner Sekretärin. »Und bei der Unterhaltung mit Hubert bin ich dabei. Ich glaube, ich kann da auch sehr vieles klarstellen.«
Eine halbe Stunde später saßen sich Baurat Bernhardt, Klaus Blankers und Dr. Hochheuser im Büro des Polizeipräsidenten gegenüber. Vor der Tür stand der Wachtmeister des U-Gefängnisses, der Bernhardt hergebracht hatte. Es gehörte zu den Vorschriften. Baurat Bernhardt sah eingefallen und elend aus, aber mehr noch wirkte Blankers wie ein Verfallender; wie ein Mensch, der sich von innen heraus auflöst.
»Ich möchte dir nur eine Frage stellen, Vater«, sagte Blankers mit hohler Stimme und sah an Bernhardt vorbei. »Nur eine Frage, aber sie entscheidet alles in meinem Leben.«
Baurat Bernhardt nickte. Er umklammerte das Napoleonglas, das ihm Polizeipräsident Hochheuser voll Kognak geschüttet und an dem er nur genippt hatte. Der Alkohol brannte in seiner Kehle wie ein Gesöff aus Negerpfeffer. Wieviel Stunden war ich jetzt in meiner Zelle, dachte Bernhardt. Und jede Stunde ist mir wie ein Jahr geworden. Ob ich es aushalte, fünf oder zehn oder noch mehr Jahre in einer Zelle zu leben? Nein, ich halte es nicht aus. Ich werde eingehen, wie eine Pflanze ohne Licht und Luft.
»Wenn du fragen willst, ob ich Pommer wirklich umgebracht habe – ja! Ich habe es!« sagte Bernhardt fast traurig. »Ich weiß, daß es einen Skandal geben wird … aber wie schnell wächst da Gras drüber.«
»Ob du Pommer getötet hast, ist nicht so wichtig, Vater.« Blankers wischte sich mit zitternden Händen über die Augen. O diese Frage, dachte er. Diese verdammte Frage, die ich stellen muß. Ich habe nie geglaubt, daß es überhaupt eine solche Frage geben kann.
»Was ist es dann?« Baurat Bernhardt sah seinen Schwiegersohn erstaunt an.
»Sage nur ja oder nein, Vater. Mehr will ich nicht wissen!« Blankers holte tief Atem. »Hatte … hatte Margit mit Pommer ein Verhältnis?«
Baurat Bernhardt zögerte nicht. Mit klarer Stimme antwortete er:
»Ja!«
»Danke, Vater.« Blankers stand auf. Sein Gesicht wirkte grau und leblos.
»Was heißt hier danke?« Bernhardt stellte das Napoleonglas auf den Rauchtisch. »So einfach ist das nicht! In deinem starren Danke sehe ich soviel wie einen Abschluß.«
»Es ist ein Abschluß, Vater.«
»Du bist ein Idiot, Klaus!« sagte Bernhardt grob. »Die Bekanntschaft zwischen Margit und Pommer war vor der Ehe.«
»Sie hat mir nie davon erzählt.« Steif stand Blankers am Fenster und starrte hinaus auf die Straße. Aber er sah weder Autos, Omnibusse, Menschen und Straßenbahnen, sondern vor seinen Augen kreisten Nebel und in seinen Ohren summte es und tickte es wie in einem Zeitzünder. Gleich zerplatze ich, dachte er, gleich sprenge ich mich auseinander.
»Hast du sie danach gefragt?«
»Erlaube mal! Unter Eheleuten … fragt man … wenn man glaubt, daß das Mädchen, das man liebt und heiratet, schon mit einem anderen … Allein der Gedanke bringt mich um!«
»Du hast vor Margit auch noch nie ein anderes Mädchen im Arm gehalten, was?«
»Das ist schließlich etwas anderes.«
»Natürlich ist das etwas anderes! Das
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